20150409 Aaaaaangekommen…

Am Donnerstag, dem 9.04.2015, um 22.07h (Ortszeit)d.h. 2.07h UTC liegen wir fest an der Tankstelle der Marina „Fort de France“ auf Guadeloupe.
Dreizehn Tage und elf Stunden waren wir im endlosen Blau unterwegs, sind nun müde aber glücklich, die letzten sehr spannenden Stunden hinter uns zu haben, werden nun erst einmal ausschlafen und uns danach zurückmelden.
Vorab aber möchten wir allen Freunden, Verwandten und Bekannten, die unsere Reise mit verfolgt haben und die Daumen drückten, ein gaaaanz dickes Dankeschön aussprechen. Wir waren uns sicher, dass immer einer von Euch an uns dachte und haben uns nie alleine oder verlassen gefühlt.
Ein ganz besonderer Dank geht an unsere „ARD“. Dieter versorgte uns immer prompt mit den wichtigsten und aktuellsten Standortmeldungen, leitete unsere Botschaften weiter und sorgte dafür, dass wir – mit wenigen Worten – auch über die aktuellsten Geschehnisse in Mannheim informiert waren. So fühlten wir uns immer – wie bei der ARD – „in allererster Reihe sitzend“.
Ein dickes Dankeschön auch an Isabel, die meine Blog- Beiträge immer postwendend in den Segelfisch einstellte obwohl sie häufig erst tief in der Nacht bei ihr eingingen.
Fühlt Euch alle gedrückt und lasst Euch sagen: Es ist ein tolles Gefühl, solche Freunde zu haben…

20150408 Einmal ist keinmal…

wird so mancher Blogleser denken, wenn er das Malheur mit dem Stb-Motor liest, da er ja monatelang nichts anderes als Reparaturbeschreibungen vor die Linse bekam.
Nur 24 Stunden muss er diesmal auf eine ähnliche Geschichte warten…
Ich sitze am Kartentisch und bemerke plötzlich – links neben mir – das Aufflackern einer roten Warnblinkleuchte. Genaueres Hinsehen lässt mich die BB-Motorraum-Bilgenpumpe erkennen.
Im Handumdrehen haben wir den Motorraumdeckel geöffnet und schauen… in eine Dampfsauna. Aus dem Ausdehnungsgefäß des Kühlwasser-Kreislaufs schießen kleine Wasserstrahlen kreuz und quer in den Raum. Heißer Dampf steigt auf, Wasser tropft von den Wänden, kleine Wasserpfützen vibrieren in allen Vertiefungen des Motorblocks. Ich schalte schnell den Motor aus und Peter betrachtet mit krauser Stirn das Dilemma.
Uns beiden schießt gleichzeitig ein Gedanke durch den Kopf: Nicht auch noch der Totalausfall der zweiten Maschine!!! Damit würde die Stromversorgung schnell in die Knie gehen. Das Schreckgespenst, dass der Steuerautomat ausfällt und wir tagelang von Hand steuern müssen, meinten wir durch den Ersatz-Steuerautomaten gebannt zu haben; aber dass dieser Fall auch durch mangelnde Stromversorgung eintreten könnte, hätten wir niemals geglaubt. Allein der Gedanke daran lässt mich in einen sofortigen Erschöpfungs-Tiefschlaf fallen.
Aber mein findiger Kapitän arbeitet sich an die Lösung heran. Erste Maßnahme: Durchpusten des Kühlwasserzulaufs , um sicher zu gehen, dass der Motor nicht überhitzt ist wegen zu geringen Kühlwasserzulaufes. Nein, das kann’s nicht gewesen sein. Also: Kühlwasser-Geschmackstest: Es schmeckt salzig. Kühlwasser und Seewasser vermischen sich. Ist der Wärmetauscher defekt???
Das Ausdehnungsgefäß bleibt offen, wir schalten den Motor ein, geben etwas mehr Gas und können zusehen, wie das Wasser munter über den Rand des Ausdehnungsgefäßes quillt. Motor aus. Leeren des Ausdehnungsgefäßes und weiter suchen.
Peters Blick fällt auf die Gummikappe am Ende des Wärmetauschers, die durch Dichtungen gewährleistet, dass das kühlende Seewasser nach außen, die Kühlflüssigkeit im inneren Kreislauf bleibt. Diese Kappe ist verrutscht. Somit kann Seewasser in den inneren Kühlkreislauf eindringen, das Volumen deutlich erhöhen und sich – über das Ausdehnungsgefäß – herausdrücken. Peter nimmt die Kappe ab, positioniert sie richtig, setzt die Schlauchklemme erneut darüber und der Spuk ist gebannt.
Wir müssen keinen Strom sparen. Es gibt ein warmes Essen, Steuerautomat, Radar und Plotter bleiben eingeschaltet und ich darf – fast zur gewohnten Zeit – in die Koje steigen.

20150406 Schluss mit „Lustig“ ???

Es ist Ostermontag. Vorausberechnete Ankunft auf Guadeloupe: in drei bis vier Tagen.
Wir haben der untergehenden Sonne zugeprostet und Peter schaltet – wie jeden Abend – einen der beiden Motoren zur Energiegewinnung ein. Heute ist die Steuerbordmaschine an der Reihe. Er startet sie und ein durchdringend fiepender Ton meldet sich. Er gibt ein wenig Gas aber der Warnton bleibt und die zugeschaltete Lichtmaschine bringt keine Spannung. Maschine aus. Was kann das sein?
Er steigt in den Motorraum und findet zunächst nichts. Die beigeholte Volvo – Betriebsanleitung, Kapitel Fehlersuche, gibt als mögliche Fehlerursache an:
1.Wackelkontakt im Warnsignal;
2. Spannungsregler defekt;
3. Keilriemen lose.
Jawoll, wir haben den Übeltäter – wie wir glauben. Es ist der Keilriemen, der viel zu lose ist. Leider verhindert die Ursache der Keilriemenlockerung eine schnelle Fehlerbehebung. Die Schraube, die die Lichtmaschine am Motorblock hält, ist in die Bilge gefallen. Sie wird herausgeholt und gesäubert; aber als Peter sie – mit Spiegel und Schraubschlüssel bewaffnet – unter artistischen Verrenkungen wieder eindrehen will, erkennt er, dass sie abgebrochen ist und ihr Ende noch im Gewinde am Motorblock steckt. Das Nachspannen des Keilriemens ist somit unmöglich.
Peter fixiert die Lichtmaschine provisorisch, zerschneidet den Keilriemen und startet den Motor über die BB-Maschine. Er läuft. Jippijeh!

Dann legt sich seine Stirn in Falten. Da war doch noch was? Richtig! Die Wasserpumpe. Auch sie wird vom Keilriemen angetrieben. Die Todesspirale für den Motor hieße: Ohne Wasserpumpe > keine Motorkühlung > Überhitzung des Motors > Ende.
Peters graue Zellen geraten in Wallung. Was machte man vor 50-60 Jahren wenn der Keilriemen riss? Es gibt nur eine Lösung. Die „nur die“-Lösung. (Die weibliche Leserschaft wird den namhaften Hersteller maritimer 😉 😉 😉 Artikel kennen).
Für alle anderen: Ein Nylon-Kniestrumpf wir hoffentlich beim ersten Anlegemanöver in der Karibik zuverlässige Dienste tun.

Bleibt die Frage: Warum bricht eine 10mm-Schraube einfach ab? War sie zu fest angezogen nach dem Motto: Nach „fest“ kommt „ab“ oder gibt es eine andere Ursache?
Die Lösung: Wahrscheinlich Vibration.
Seit etwa sieben Tagen schwimmen uns ständig lange Algen- oder Seegrasstreifen entgegen, die sich wie Schleppen in der mit-drehenden Schraube verhaken und von ihr herumgeschleudert werden. Obwohl wir mehrmals täglich versuchen, durch das Rückwärtsdrehen der Schraube den Ballast wieder los zu werden, ist der gesamte Motorblock doch ständigen, Erschütterungen und Vibrationen ausgesetzt. Das führte – wahrscheinlich – letztendlich zum Abbrechen der Schraube.
Wir hoffen sehr, dass die BB-Maschine bis Guadeloupe durchhält, da wir ansonsten ein echtes Energie-Problem bekommen würden.
Es gilt also: Daumendrücken für den Endspurt!!!

20150406 Alltag im endlosen Blau…

Der neue Tag beginnt – wie überall auf der Welt – um Mitternacht. Ich liege bereits im Bett, Peter hat Wache noch bis drei Uhr. Zunächst überprüft er Kurs und Segelstellung und trägt dann die mitternächtliche Position mit den dazugehörenden Daten ins Logbuch ein.

Nächtlicher Arbeitsplatz

Peter setzt sich nachts gerne ins Heck des Schiffes, beobachtet den grandiosen Sternenhimmel, der Dir – lieber Dieter – sicherlich gefallen würde, begeistert sich am Meeresleuchten, vor allem an Delfinen, die, wenn sie die Rümpfe umspielen, beim Wiedereintauchen ins Wasser, regelrechte, phosphorisierende Streifen hinterlassen.

Sollte dennoch einmal Langeweile auftreten, kann er sie – durch einen Griff in die gut gefüllte PIA- Videothek –sofort beseitigen.

Meine Wache beginnt um 3.00h und endet um 7.00h, d.h.in der Morgendämmerung. Das Aufstehen fällt mir sehr, sehr schwer und ich muss an die frische Luft, um überhaupt wach zu werden. Bis zu den Capverden war das eine nur wenige Sekunden dauernde Angelegenheit, da der kalte Wind – beim Betreten des Cockpits -augenblicklich alle Lebensgeister wach rüttelte.

Seit Mindelo sieht das anders aus. Die Ski- Unterwäsche ist wieder verstaut und man kann sich nachts – wie in einer lauen Sommernacht in Mannheim – mit einem, um die Schulter gelegten Schal ins Cockpit setzen…und weiter dösen…

Ab 7.00h übernimmt Peter wieder und ich darf ins Bett. Wenn ich gegen 10.00h aus der Koje krieche, hat Peter bereits ein Ingwerwasser für uns vorbereitet, der atlantischen Funkrunde zugehört, neue Wetterdaten empfangen, Dieters Bericht gelesen und versucht, mit Frank ein Funkgespräch zu vereinbaren.

Ganz gespannt höre ich die Neuigkeiten. Dann gibt’s Frühstück.

Vorher aber: Morgendliche Säuberung des Decks von den Leichen der Kamikaze-Flieger

Um 12.00h UTC wird die Position der PIA abgelesen und Breiten- und Längengrad ins Logbuch eingetragen. Auf einer großen Seekarte markieren wir die Positionen der Obelix und der PIA.

Tagsüber haben wir viel Zeit zum Lesen, Dösen, Schreiben, Angeln, Brot- oder Kuchenbacken, das Spiel auf dem Akkordeon üben oder die Segelstellung zu optimieren.

Schreiben…

Ich liebe es, einfach aufs Meer zu schauen, das vertraute Rauschen des Kielwassers im Hintergrund und die (meist) sanften, schaukelnden Bewegungen der PIA auf den nimmermüden Wellen zu spüren.

Um 16.30h gibt’s den „Five o‘ Clock – Tea“ und zum Sonnenuntergang den Sundowner, der inzwischen zu einem schönen Ritual geworden ist. Nebeneinander sitzen wir auf der rasenden Gartenbank und prosten der untergehenden Sonne mit einem „Schweppes“ zu, wobei sich – zumindest in mein Glas – ab und zu ein Schluck Gin verirrt.

Jeder von uns wünscht sich dann, es möge so friedlich weitergehen.

Ist die Sonne dann untergegangen, wird es rasend schnell dunkel. Zeit für mich, das Abendessen vorzubereiten und für Peter, die Nachrichten des Tages abzuholen.

Es macht uns große Freude, Nachrichten von Euch und aus der Heimat zu erhalten und zu sehen, dass so viele an uns denken und unsere Reise mit verfolgen. Wir sind ganz glücklich, dass die Satellitenkommunikation so gut klappt, fühlen uns nicht alleine gelassen und irgendwie sicherer, weil doch etliche Augenpaare unseren Weg über SatPro mit verfolgen.

Nach dem Abendessen darf Peter sich hinlegen, während ich den Tagesabwasch mache und die Navigation von Tag auf Nacht umstelle. Um 23.00h wird er geweckt und ich darf in die Koje.

Bisher haben wir G.s.D. weder große, schreckliche Highlights, noch überaus tolle erlebt.

Erwähnenswert scheinen mir jedoch ein paar Begebenheiten.

Angel(miss)erfolge: 1.-4. April

Ab und zu plagt uns der Ehrgeiz des Anglers. Sieben Tage bereits auf dem Atlantik und nicht einmal war uns Petri Heil vergönnt.

Am 1. April ist es soweit: Ein drei Meter langer Segelfisch hat sich im Haken unseres Seemannsgarns verbissen. Wir müssen aus Leibeskräften kurbeln, um ihn an die PIA heranzuziehen. Bereitstehend mit Gaff und Alkohol, um ihm einen schnellen Tod zu bereiten, schauen wir in sein trauriges, tränendes Auge. Wir können nicht anders: wir schneiden ihn vom Haken, schenken ihm die Freiheit und entlassen ihn in den schönen Apriltag…

Und das Tollste an der Geschichte ist: Alle sind auf unseren Scherz hereingefallen, bis auf Philipp, der gleich eine Menge Seemannsgarn und eine kräftige Prise April-Luft witterte…

Unverdrossen starten wir vier weitere Angelversuche. Die freudige Erwartung, wenn es an der Angelleine kräftig ruckt und sie – bis zum Zerreißen gespannt – tickernd ausrauscht, dann, nach dem nächsten Ruck den Angelkopf – spannungslos – zurückschnellen lässt, um dann erneut rasend abzuspulen, wird beim Herankurbeln des vermeintlich fetten Bratens jedes Mal enttäuscht. Das niederschmetternde Fazit unserer Bemühungen: Zwei große, geangelte Tangbüschel, die aber wenigstens den Köder nicht abrissen, zwei abgebissene Köder, davon sogar einer mit Stahlvorlauf. Für den Gegenwert hätten wir im „Allende“ in Las Palmas vier delikate Fischteller bekommen, auf den Capverden sogar sieben.

Petri Pech! Vergebliche Liebesmühen…

Bergfest: 3./4. April

Der Karfreitag hat noch drei Minuten, um sich zu verabschieden. Auf dem GPS werden gleich die Koordinaten 14° 40’N und 43° 11’W erscheinen.

Nach 7 ½ Tagen haben wir exakt die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Es ist eine herrliche, sternenklare Vollmondnacht, in der wir uns eigentlich ein Schlückchen Sekt genehmigen könnten. Aber wir trauen uns nicht, da Alkohol die Aufmerksamkeit in der Nacht wohl herabsetzen würde. Wir verschieben das Zuprosten auf den nächsten Morgen.

Als ich morgens aus der Koje klettere, finde ich Peter bereits auf der rasenden Gartenbank, um die PIA von Hand zu steuern. Hohe Wellen und 7 Windstärken machen der automatischen Windsteuerung Probleme. Die PIA saust zwar wieder mit 15kn (in Surfs mehr) durchs Wasser aber der Kurs ist heikel und die PIA surft – der Welle folgend – in schwungvollen Bögen.

Noch vor dem Frühstück verkleinern wir die Segelfläche, um dann immer noch mit 7-9kn aber wesentlich ruhiger durchs Wasser zu gleiten. Der Sekt bleibt wieder einmal unangetastet im Kühlschrank.

Begegnungen: 4.April

Selten hört man von Atlantikseglern, dass sie bei der Überquerung einem Schiff begegnet seien. Wir hatten heute sogar zwei Begegnungen.

Die erste, ein Gefahrengutfrachter mit dem Namen „Delta Harmony“ kreuzt vor uns im Abstand von etwa 3sm.

Auf Kuschelkurs in endloser Weite???

Die zweite, ein quietschgelbes, französisches Stahlschiff, mit Familien-Besatzung (Eltern, zwei Kinder)schwankt zunächst weit vor uns in den Wellen. Mal scheint das Schiff bis zur Segelspitze im Wellental versinken zu wollen, mal sieht es so aus, als wolle der Wellenberg es auf seiner Spitze eine Zeitlang balancieren. Beim Überholen rufen und winken wir uns fröhlich einander zu.

Zu denken gibt uns allerdings, dass unser Radar dieses Stahlschiff nicht erkannt hat…

Ostersonntag: 5.April

Frühstück

Osterhasen mit vorzeitiger, starker Karibikbräune,

Ostereier in Camouflage,

Milkahäschen aus der Oberbergener Straße… und

Balanceakt mit Ei

20150401 Die Klage des Windes

Man hat’s nicht leicht, als himmlisches Element! Niemals kann man es allen recht machen!

Wehe ich zu schwach, lamentiert die Lobby regenerativer Energiegewinnung, die – in aller Bescheidenheit gesagt – gehörig von mir profitiert; wehe ich zu stark, beklagt man sich über entwurzelte Bäume, davongeflogene Dächer, zerstörte Autos, geknickte Masten…

Ganz besonders heikel sind die Segler. Zaudernd und hadernd schauen sie wochenlang in die Wetterberichte, Wellenhöhen-Vorhersagen, grübeln über die Zugrichtung der Hochs und Tiefs und welche diesbezügliche Störung sie bei der Atlantikpassage erwischen könnte.

Haben sie’s dann endlich geschafft sich los zu reißen, soll ich – bitte sehr – aus der perfekten Richtung und mit angemessener Stärke für die jeweilige Besegelung und das angepeilte Ziel wehen.

Mit Regattaseglern habe ich indes meine wahre Freude: Ich spiele mit ihnen und lasse sie meine Launen mit ständigen Segelwechseln parieren. Ein Hochgenuss für mich, diese durchtrainierten Kerle schwitzen zu sehen, und obendrein ein interessantes – wenngleich manchmal nicht ganz faires – Kräftemessen.

Anspruchsvoll und fordernd indes sind diese Grauen Panther: Meist als Paar unterwegs, weit jenseits des Alters, in dem der Mensch vor Kraft strotzt, treten sie eine Segelreise über den Atlantik an.

Wochenlang (manche sogar monatelang!!!) machen sie sich Gedanken über die geeignete Besegelung. Für alle Eventualitäten sind sie ausgerüstet – wie Regatta-Segler!!! – aber in Wirklichkeit wollen sie die Segel gar nicht wechseln. Sie gehen selbstredend davon aus, dass ich mich in Stärke und Richtung ihrer Segelwahl und dem angepeilten Ziel anpasse.

Nehmen wir als Beispiel den Catamaran PIA. Seine Besatzung – zwei Vertreter letztgenannter Spezies – hat sich getraut. Die Beiden wünschen sich bis kurz vor den Capverden meine Nord-Ost-Variante und von dort aus den Passat, d.h. die reine Ostwind-Variante, die ihr Schiff (mit Passatbesegelung) flott und komfortabel (d.h. Windstärke 5 – 6 und gemäßigten Wellen) in die Karibik pusten soll.

Ich erfülle ihren Wunsch, sie sind berauscht von der Geschwindigkeit und… ? Was machen sie…? Sie biegen ab auf die Capverden.

Nach acht Tagen Pause dort, erwarten sie – selbstredend – die Fortsetzung des Programms.

Einen Tag lang lasse ich sie davon rauschen, glaube aber, dass ihnen ein wenig Entschleunigung gut täte. Ich drossele also mein Tempo und ändere auch ein wenig die Richtung (was ihnen so gar nicht gefällt) und kann beobachten, wie sie ständig auf das Log schielen, das die Fahrt durchs Wasser anzeigt sowie die voraus berechnete Ankunftszeit auf Guadeloupe.

Die Skipperin verdreht die Augen, wenn sie 2,9kn, oder max. 3,9kn (d.h. 5,3 km/Std. oder 7,2km/Std) abliest mit der voraussichtlichen Ankunftszeit in 15 oder 16 Tagen. Verwöhnt von den großen Etmalen der ersten Etappe, wird sie ganz ungeduldig.

Der Skipper zuppelt an den Schoten, verstellt die Spi-Bäume, fällt 30°ab – was natürlich mehr Tempo bringt aber auch die PIA vom richtigen Kurs – um sie dann später – mit geänderter Segelstellung langsam wieder auf Kurs zu bringen.

Mir scheint, ich muss ein wenig Nachsicht üben.

Sie sind einfach unerfahren was diese langen Distanzen betrifft, viel zu hektisch, zielorientiert und haben die Schönheit der Langsamkeit immer noch nicht entdeckt.

Daher werde ich Ihnen diese –mich ein wenig kränkende – Undankbarkeit gegenüber meinem absolut wohlwollenden, moderaten Verhalten verzeihen.

Mögen sie wohlbehalten und entspannt auf Guadeloupe ankommen!

20150327 Zwischenstopp auf den Capverden

Seit Donnerstagmorgen (19.03.’15) haben wir wieder (nicht ganz) festen Boden unter den Füßen. Nur 500m von der Marina entfernt, hat unser Anker sich in den Sandboden eingegraben.

Frank und Brigitte winken uns von der Obelix fröhlich zu und um 9.00h gibt’s den Begrüßungsschluck.

Über die Bugspitze schauend leuchtet uns Mindelos Uferpromenade mit ihrer freundlichen, pastellfarbenen Bebauung entgegen. Der Blick nach hinten schweift zwar über herrlich türkisfarbenes Wasser, offenbart aber – mit den darauf schwimmenden, von Rost zerfressenen Frachtschiffen – eher trübe Aussichten, was Frank (auch im Hinblick auf die bevorstehenden Reparaturaufgaben) spöttisch kommentiert: „Ja, guckt Euch nur mal um! Das wird dann wohl unsere Heimat für die nächsten zwei bis drei Monate sein.“

Ein erster Erkundungsgang ins Städtchen zeigt uns schöne, im Kolonialstil erbaute Häuser, saubere Straßen und begrünte Plätze.

Die Suche nach Ersatzteilen führt uns in Läden, die mit ihren Holzregalen und Ordnungssystemen an „Tante-Emma-Läden“ aus dem letzten Jahrhundert erinnern: handgemalte Pappschilder, die in elfenbeinfarbenen, zum Teil abgestoßenen Regalen und Vitrinen auf deren Inhalt hinweisen.

Hinter der Theke swingen hoch gewachsene, schlanke, dunkelhäutige Angestellte in Capverdischer Gelassenheit zum Kunden hin und zurück ins Lager, um nach geraumer Zeit das Gewünschte auf die Theke zu legen (oder auch nicht).

In den Straßen sitzen Frauen, die Kiosk-Artikel, Gemüse oder Ziegenkäse anbieten.

Jugendliche versuchen, selbstgeknüpfte Armbänder an den „Mann“ zu bringen und haben bei Peter gleich Erfolg. Die maßgeknüpfte Capverdische Devise „No Stress“ ziert nun auch sein Handgelenk.

Im Touristenbüro vereinbaren wir für den Samstagabend eine geführte Tour „Mindelo by Night“ und freuen uns schon sehr auf die Musikszene, die immer am Wochenende, speziell am Samstag, ganz Mindelo in die Straßen lockt.

Aber es kommt mal wieder anders als gedacht. Ob unser junges, hübsches Touristenführerpaar glaubte, diesen “ Friflüs“ (Friedhofsflüchtlinge)einen Zug durch die Gemeinde nicht mehr zumuten zu können, oder hatten wir da generell etwas falsch verstanden?

Jedenfalls werden wir für 45€/Pers. in einem VW-Bus (mit Fahrer!)an vier Aussichtspunkte gebracht, die in rabenschwarzer Nacht einen grandiosen Ausblick auf die rabenschwarze Ankerbucht bieten und anschließend in einem Restaurant, das locker von vier Reisebussen gleichzeitig hätte aufgesucht werden können, zu Tisch gebeten. Na toll!

Nach dieser Erfahrung buchen wir keine „Zwei Tage-Zwei Inseln“-Tour, sondern erwandern Mindelo auf Schusters Rappen. Es gibt nicht nur hübsch angelegte Plätze und gut restaurierte Häuser aus der Kolonialzeit, es gibt auch die andere Seite. Jenseits des gepflegten Stadtteils haust ein Teil der Bevölkerung in Slums, die Arbeitslosenquote liegt offiziell bei 21%, die Dunkelziffer sagt eher 50%, bettelnde Kinder fallen uns nicht auf, aber alte Männer, die bei den Touristen gerne die Hand aufhalten.

Spricht man mit jungen Erwachsenen oder Studenten, so findet man sehr unterschiedliche Aussagen. Alle sind unisono der Meinung, dass die schulische und Universitätsausbildung sehr gut sei aber für die Absolventen keine geeigneten Stellen zur Verfügung stehen. So möchte der eine Teil der gut Ausgebildeten lieber heute als morgen ins Ausland, der patriotische Teil hofft indes auf eine gute Stelle in der Tourismusbranche, die auf einigen Inseln inzwischen zu boomen beginnt.

Drei Tage sollten ausreichen, um sich von den „Strapazen“ der ersten Etappe zu erholen. Es wartet ja wieder eine Menge Arbeit auf uns. Frank und Brigitte haben als Wichtigstes die Reparatur des Bugstrahlruders und das Finden einer Alternative für ihr Twisselrigg auf der Liste, wir den Wassermacher, den wir bisher ja nur als unnützen Ballast umher schippern. Dass das vorerst wohl auch so bleiben soll, müssen wir nach 4Tagen vergeblicher Schufterei frustriert feststellen.

Effektive Hilfe und Aufmunterung kommt in solchen Situationen immer von unseren Freund Frank, dem gallischen Konglomerat aus Obelix und Asterix. Rein äußerlich ein bisschen Obelix aber innerlich ganz und gar Asterix: listig, lösungsorientiert, schnell und effektiv. Immer einen, zur Situation passenden, flotten Spruch auf den Lippen, kümmert er sich rührend um seinen Idefix (Synonym: Peter)und ist sofort zur Stelle, wenn es heißt „Probleme lösen“. Wie einem Gourmet das Wasser im Munde zusammenläuft beim Anblick einer leckeren Speise, so löst ein technisches Problem eine solche Reaktion bei Frank aus. Und findet er nicht gleich die Lösung, dann aber meist im nächtlichen Traum. Vielleicht ist er gar ein verkappter Heinzelmann, der die Lösung produziert, während andere schlafen.

Unser Vertrauen in die Sicherheit am Ankerplatz wird am Sonntagabend stark erschüttert.

Brigitte hat sich hingelegt, weil ihre Gelenke schmerzen, Frank nimmt gerade im Vorschiff das Bugstrahlruder auseinander und die Obelix sieht von außen dunkel und unbewohnt aus. Plötzlich hören die beiden Stimmen und kurz darauf springt jemand aufs Boot. Frank stürzt ans Heck, erkennt einen hochgewachsenen, dunkelhäutigen, jungen Kerl und brüllt ihn an, sofort das Schiff zu verlassen. Der stammelt nur „Sorry, Sir“ taumelt rückwärts, fällt zwischen Heck und Beiboot fast ins Wasser und wird von seinen zu Hilfe eilenden Kameraden in ihr Taxi-Boot gezogen. Was war denn das?

Wollen wir das Ganze als harmlos betrachten, dann müssen wir Michael, unserem deutschen Nachbarn Glauben schenken, auf dessen Boot die potentiellen Diebe auch sprangen. Er erklärt uns, dass die Jungs sich lediglich im Boot geirrt hatten und eigentlich einen Norweger vom Schiff abholen wollten, dessen Dinghi im Hafen lag. Klingt ja alles plausibel aber ein kleines, ungutes Gefühl bleibt.

Für die letzten beiden Tage müssen wir in die Marina umziehen, da das leidige Thema Wasser diesen Schritt erforderlich macht. Bei dem starken Schwell ruckt und zerrt die PIA mit lautem Knarren und Quietschen an den Leinen, sodass wir kaum schlafen können und uns an den Ankerplatz zurücksehnen.

Brigitte und Frank gönnen sich noch eine ruhige Nacht am Ankerplatz und werden die Capverden erst am Samstag verlassen, uns zieht es am Freitag um 15.00h wieder auf den Atlantik.

Rückblickend wäre es sicherlich sehr schön gewesen, noch andere Inseln dieses Archipels kennengelernt zu haben, aber mit einer sechswöchigen Verschiebung unserer Abreise wäre es für die Karibik definitiv zu spät gewesen.