20150720 Union Island und Carriacou

Aufmerksame Leser fragen nach, ob unser SatPro streikt, oder ob wir incognito oder nicht verfolgbar nach Trinidad segeln wollen.
Unser SatPro ist offensichtlich – und von uns absolut unbemerkt – auf Bequia ausgestiegen. Aus Langeweile???
Ja, wir bleiben vier Tage in der Bucht von Port Elizabeth, immer in der Hoffnung, dass der Wind nachlassen möge, um unser lange ersehntes Ziel – die Tobago-Cays – anlaufen zu können.
Diese kleine Inselgruppe, unbewohnt, sehr flach, schlecht geschützt gegen Nord-Ostwinde mit trickigen Riffeinfahrten, soll zum Schönsten gehören, was die Karibik zu bieten hat.
Aber der starke Wind bleibt und damit auch die Schönheit der Tobago-Cays von uns unentdeckt.
Ein kurzer Abstecher in die große Bucht von Mayreaux zeigt uns, dass wir auch dort besser nicht auf ein Nachlassen des Windes warten, während die Obelix das Gleiche berichtet von Clifton-Bay, im NE von Union Island.
Also segeln wir in die Chatham-Bay, im Süden von Union Island, in der wir ordentliche Fallböen auf die Mütze kriegen.
Vor uns liegt ein langgestreckter Sandstrand mit vier vereinzelten Hütten und einem Restaurant am anderen Ende. Alle werben mit frischer, lokaler Küche, Grillspezialitäten und Live-Music.
Frank fragt über Funk, ob wir der persönlichen Einladung des Chefs der ersten Hütte (der mit seinem Dinghi bereits zur Obelix gedüst ist) folgen sollen. Natürlich! Für uns vier(die einzigen Gäste) wird allerfeinst gekocht: Gegrillter Fisch, Ribeye-Steaks, gegrillte Hähnchenspieße, Lambi-Muschel-Eintopf, überbackene Auberginen und Kartoffeln, gebratene Bananen, Reis…
Es ist ein gemütlicher Abend und gleichzeitig netter Einstieg in die Chatham Bay.
Am Samstag haben wir Kino.
Ab 7.00h geht es lautstark zur Sache. Fischer bereiten am Strand ihre Netze vor, um sie dann – sorgfältig geordnet, mit schweren Steinen am unteren Rand versehen und zum Auswerfen bereit – in ein Boot zu hieven.
Ein zweites Boot (für den Netzanfang) bringt sich in Stellung.
Drei Fischer sind mit dem sehr anstrengenden Auslegen des Stein-beschwerten Netzes beschäftigt, während einer das Boot rudert.
Währenddessen versuchen zwei Schnorchler – mit seltsam heraus flappenden gelben Flossen – die Fische in Richtung Netz zu treiben.

Eine halbe Stunde hören wir lautes Rufen, Korrigieren, Auffordern, Anfeuern oder Schimpfen. Für uns nicht zu unterscheiden. Dann liegt das Netz im Kreis und 8 Männer sitzen lachend, scherzend und abwartend in den beiden Booten.
Eine halbe Stunde später wird das Netz vom Ende her – Hand über Hand – ins Boot gezogen, um die Fische sukzessive aus dem Netz zu „pflücken“.

Die magere Ausbeute dieser dreistündigen, Kräfte-zehrenden Aktion ist, soweit wir das sehen können, drei etwa 40cm lange Fische pro Person.

Zum Ausklarieren müssen wir nach Clifton Harbour. Die Luftaufnahme des Hafens zeigt türkisfarbenes Wasser über der Riffplatte, die mitten im Hafen liegt und über der, die den Hafen zum Norden hin begrenzt. Fährverkehr auf einer Seite, große Ausflugskatamarane auf der anderen, dazwischen Bojen und Ankermöglichkeiten (soweit vorhanden). Uiuiui! Mir rutscht da immer ein bisschen das Herz in die Holzschuhe. Aber Boatboy Benji kommt angerauscht und vermietet uns eine Boje. Guuuuut!

Funkruf vom just eingetroffenen Frank: Wir haben einen Bonito geangelt und bereits filetiert. Wollen wir Sushi essen? Klar! Rüber zur Obelix mit einer Flasche Sprudelndem aus der Champagne.

Und genießen…
Am späten Nachmittag fahren wir ins Örtchen. Tote Hose. Es wirkt wie ein verlassenes Wild-West-Kaff. Alle Läden geschlossen, die nicht vorhandenen Bürgersteige hochgeklappt, am Straßenrand ein paar traurige, träge Einheimische…


(Das Lambi-Muschelfleisch wird hier als Delikatesse angeboten, ist aber äußerst selten eine solche, da meist sehr zäh…)

Die Erklärung: Natürlich ist hier alles geschlossen und kein Mensch da, weil Karneval in St. Vincent. So, Mo, Di…ab Mittwoch wird hier wieder Leben einkehren und auch das Ausklarieren möglich sein. Also bleiben wir auf der PIA, genießen die Aussicht auf diese grandiose Wasserfarbe über dem Riff, lesen, schauen den vorbei rauschenden Kite-Surfern zu und nehmen zum Abschied einen Sundowner in der Hütte auf dem Riff, direkt vor unserer Nase.

Beim Ausklarieren am Mittwochmorgen sehen wir, dass die Aussage der Inselbewohner stimmt. Alle Geschäfte sind offen, es gibt einen kleinen Markt am Dorfplatz und viele Leute auf der Hauptstraße.

Aber es zieht uns nach Carriacou. Nur gut eine Stunde benötigen wir bis zum Ankerwerfen in der Hillsborough-Bay. Einklarieren bei den wichtigen und ernsten Beamten von Immigration und Zoll und Schlendern über die Hauptstraße, in der das Leben pulsiert. Ich find‘s einfach nur schön!
Frank und Brigitte haben ein Café entdeckt. Das Kajak-Café, betrieben von einer veritablen „Old English Lady“. Kuchen lachen mich normalerweise nicht sonderlich an, aber diese!!!! Suuuuper! Es gibt guten Kaffee mit Kaffeesahne (hier eine Rarität!!!) und wir können schwelgen.
Ein Einkauf noch in „Pattys Deli“, wo es Entsprechendes zu entsprechenden Preisen zu kaufen gibt und dann gehen wir Ankerauf, weil der Ankerplatz – wegen des Fähranlegers und der vorbei rasenden Powerboote einfach zu unruhig ist.
Wir funken mit Frank, der aber gerade zu beschäftigt ist, da er wieder einen Fisch an der Angel hat.

Peter meint, dass es auch für uns an der Zeit sei, mal wieder die Angel zu setzen. Gesagt, getan.

Die alternative Ankerbucht rückt näher. Wir fahren ein und beginnen mit dem Ankermanöver, d.h. Peter ist am Anker, ich am Steuer.

„Der Anker liegt, Maschinen rückwärts!“

„Jawoll!“ Und Sch….!!! Die Angelleine!!!

Sie strafft sich bereits unter dem Heck!!!

Stb-Maschine aus. Ist sie schon in der Schraube???

Peter kommt ans Heck und sieht die Bescherung. Badehose an, scharfes Messer, Schere und er verschwindet im Wasser. Er taucht auf und drückt mir das abgeschnittene Ende der Angelleine in die Hand, um wenigstens den Köder noch zu retten.
Dieser hüpft und springt beim Einrollen quicklebendig auf der Wasseroberfläche herum und…plötzlich…ich erschrecke mich zu Tode, wird das Wasser im Zickzack aufgepeitscht, ein langer, spitzer Fischkopf taucht auf, aufgerissener Schnabel, aufgepeitschtes Wasser…

Die Angelleine zieht sich in die Hand, ich halte fest, wage aber nicht, sie einzuholen, weil ich panische Angst habe, von diesem, mit spitzen Zähnen bewehrten Maul gebissen zu werden.

Stattdessen schreie ich meinen tauchenden Mann herbei. Er hält dann das zappelnde Monster, während ich ihm einen Schnaps in die Kiemen gieße und es mit weit aufgerissenem Schnabel (hoffentlich) einem gnädigen Ende entgegensieht.

Was für einen Fisch haben wir denn da gefangen? „Obelixens“ meinen, es könnte ein Hornhecht sein, womit sie Recht behalten, wie zwei Fischbestimmungsbücher beweisen. Er macht mir keinen besonders fleischigen Eindruck und ich würde ihn am liebsten wieder seinem Element überlassen als Futter für die Artgenossen.

Der experimentierfreudige Frank denkt anders. So ist der Kopf schnell abgeschnitten, der Bauch aufgeschlitzt und der ellenlange Darm mit allen anderen Eingeweiden entfernt. Noch schnell die Schuppen entfernen, vier Koteletts abschneiden und auf den Grill damit.
Eine Geschmacksexplosion ist das nicht, also wird es morgen die zweite Hälfte in Weißweinsauce geben. Um es vorwegzunehmen: Das schmeckt!!! Ein seltsam ästhetischer und gleichermaßen praktischer Effekt für Grätenhasser: Rückgrat und Gräten des Hornhechts sind oder verfärben sich beim Erhitzen hellgrün.

Das Corpus delicti aber, dem wir diesen Fang verdanken, hat sich unzählige Male um die Schraube gewickelt so dass Peter am nächsten Morgen noch einmal ans Werk gehen muss, um die Leine komplett zu entfernen.

Für den nächsten Tag haben wir ein Taxi gebucht. Vincent wird uns in etwa drei Stunden alle Sehenswürdigkeiten der Insel zeigen, die da wären: Paradise Beach, das Krankenhaus auf dem höchsten Punkt der Insel und die Schiffswerft in Windward.

…und es liegt direkt vor der Werft. Will man damit auf die Qualität der Arbeit hinweisen???

In helle Begeisterung verfallen wir, als wir von der Nordostspitze der Insel auf die Tobago-Cays, Mayreau, Petite Martinique, Petit St. Vincent und Union Island schauen können. Eine von Riffen umgebene Wasserfläche, die kaleidoskopisch alle Farbtöne zwischen hellem Türkis und Königsblau wiederspiegelt.
Hat man die Zeit, auf entsprechendes Wetter zu warten, sollte man dieses Gebiet auf keinen Fall unbesegelt lassen.

Unsere Zeit hingegen drängt. Wir müssen weiter…

20150715 Eine Geschichte von Zoll und Immigration

Lieschen Müller mag sich vorstellen, dass die Karibik ein Meer sei mit wunderschönen Inseln, die alle in einer Art Karibischer Föderation zusammen gehören und von Segelschiffen problemlos angelaufen werden können…

Da irrt Lieschen sich ziemlich.

Nicht jede Insel hat eine eigene Regierung mit allem was dazu gehört – manche haben sich auch zu einer Gruppe zusammengeschlossen (und da sollte man tunlichst wissen, wer zu wem gehört) – aber alle Karibikstaaten legen allergrößten Wert auf ihre Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und Autorität.

So muss man vor dem Betreten eines Inselstaates einklarieren und unmittelbar vor dem Verlassen der Staatsgrenzen wieder ausklarieren. Man setzt also vor dem Einlaufen in den Hafen die Gastlandflagge und zusätzlich eine gelbe Flagge, die besagt, dass man einklarieren möchte. Danach marschiert man los mit Bootspapieren, Crewliste (beziehungsweise allen Crewmitgliedern in persona), Reisepässen und den Ausklarierungspapieren des zuletzt besuchten Staates.

In einschlägigen Führern ist beschrieben, wo man die Immigrationsbehörde und den Zoll findet und wie die Arbeitszeiten dieser Behörden sind. In der Regel arbeitet man hier zwischen 8.00h und 16.00h, bzw. 18.00h. Kommt man außerhalb der üblichen Öffnungszeiten, zahlt man „Overtime“, sozusagen Überstunden. Das „Zuspätkommen“ wird geahndet mit 40,00 – 60,00 US-Dollar.

Paradebeispiel: TRINIDAD

Wir machen um Punkt 18.00h am Zollstaiger fest, stürzen uns ins vorschriftsmäßige Gewand, d.h. keine Flip-Flops, keine Shorts, keine Miniröcke, keine Spaghettiträger, keine Muscle-Shirts, nichts Rücken- oder Bauchfreies, keine Kappen… , hetzen die Treppen hinauf zur Immigration und finden die Tür – wie erwartet – verschlossen.
Aber die Zollformalitäten sind möglich. Erhitzt und verschwitzt wie wir sind, geht’s ins tiefgekühlte Zollkabuff.
Drei Zollbeamte hintereinander sitzend, jeweils durch eine halbhohe Schrankwand voneinander getrennt, lassen sich von zwei Fernsehern und einem Radio beschallen.

Nr. 1 weist gebieterisch auf das Schalterfenster. Hierher! Peter nestelt die geforderten Papiere heraus.
„Murmel, murmel…“ „Pardon, Sir, we didn’t understand…“ „Murmel, murmel“… wir können rein akustisch kein Wort verstehen, da die beiden Fernseher und das Radio in unverminderter Lautstärke weiterdröhnen.

Nr. 2 wiegt sich im Takt des Songs und summt die Melodie mit.

Peter reicht die Bootspapiere über die Theke. Strafender Blick sagt: Falsch!!! Natürlich sollen es zuerst die Ausreisepapiere sein.

Nr.3 lugt hinter der Schrankwand hervor und zieht die Augenbrauen hoch.

Nr. 1 – Wann sind Sie ausgereist? Zu welcher Uhrzeit? Aha! – Zwei Formulare werden durch die kreisrunde Öffnung der vergilbten Plexiglas-Scheibe geschoben. – Ausfüllen!
Die Füße sind bereits eiskalt, den Rücken wärme ich mit den Händen auf und ab reibend, während Peter die Formulare ausfüllt.
Danach wird jedes Wort akribisch kontrolliert. Es wird gestrichen, erneut hingeschoben, zum Korrigieren aufgefordert.
Nach einer halben Stunde ist es endlich soweit.
Die Ausklarierungspapiere von Grenada behält er ein, händigt die neuen Papiere aus und verlangt 220 TT (d.h. Trinidad-Tobago-Dollar)
– Können wir auch in US-Dollar zahlen? –
– Nein –
– Gibt es einen Geldautomaten hier? – Ein diffuser Fingerzeig nach draußen folgt.
Ein Geistesblitz lässt uns fragen: – Können Sie eventuell wechseln?

Nr. 1: – Nein –

Plötzlich springt Nr.2 auf: – Ja, ich kann wechseln. –

Er macht ein kleines Geschäft, wir sind mit 48 US-Dollar dabei und sehr froh, den Eiskeller endlich verlassen zu können.

Eine Frage noch: – Dürfen wir bis morgen früh am Zollstaiger liegen bleiben?-
– Am Zollstaiger darf niemand liegen. –

Was nun? Das ausgewiesene Ankerfeld ist belegt und eine freie Boje gibt es auch nicht mehr.

Am Außensteg der „Crews-Inn-Marina“ ist noch ein Platz frei. Leider mit vielen Pollern zur Wasserseite hin. Dennoch nehmen wir das umständliche Anbinden mit Fenderbrettern in Kauf.
Ich fange an zu kochen während Peter noch „kurz“ den Müll wegbringt. Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellt. Denn der Wachmann, den er nach dem Standort der Müllcontainer fragt, erklärt ihm gleich, dass wir – ohne einklariert zu haben – überhaupt und absolut nirgendwo festmachen dürfen. Peter will sich nicht einfach wegschicken lassen, es gibt eine längere Diskussion, bis der Wachmann schließlich telefonisch eine Autorität der Immigration erreicht, die uns für 100 US-Dollar doch das Liegen am Zollstaiger gestattet mit der Auflage, am nächsten Morgen um 7.00h bei der Immigration vorzusprechen. Also: Losbinden und zurück an den heiligen Zollstaiger.

Donnerstagmorgen, 7.00h, Immigration

Am Ende des Treppenaufgangs eine Informationstafel mit der Kleiderordnung…

Anklopfen, eintreten. Diesmal ist es eine Beamtin, die uns blitzschnell gescannt hat und uns durch entsprechende Blicke zu verstehen gibt, dass wir mit unseren Flip-Flops massiv die Kleiderordnung verletzt haben. Da hilft auch Peters üblicher, freundlicher Smalltalk nichts. Versaut ist versaut.

– Ausreisepapiere!!!-

– Die haben wir beim Zoll abgegeben. –
– Die brauche ich. Holen oder eine Kopie beschaffen! –

Einer soll die Papiere holen, der andere die Einreiseformulare ausfüllen.
Peter füllt drei ellenlange, gleiche Formulare aus, um hinterher – mit leicht süffisantem Lächeln der Dame – zu erfahren, dass es auch (wie fortschrittlich!!) Kohlepapier gegeben hätte.

Ich gehe inzwischen zur Zollbehörde.
Nr. 1 ist heute abwesend. Nr. 2 kommt summend und lächelnd an den Schalter, legt die Stirn ein wenig in Falten, als er vom Begehren der Immigrationsdame hört und …kann unsere Papiere nicht finden. Strange!!!
Wo könnte Nr. 1 die Papiere abgelegt haben? Stapel um Stapel wird durchsucht, bis ich plötzlich hinten in der Ecke Peters Unterschrift erkennen kann. Eine Kopie wird gemacht. In weiser Voraussicht, dass die gestrenge Dame der Immigration Letztere – wegen schlechter Leserlichkeit – nicht akzeptieren wird, gibt er mir das Original mit der Bitte, es später zurück zu bringen.
Bei der Immigration sind die Kontrollen im vollen Gange. Es dauert.
Dann die Rechnung. 220TT. Haben wir die nicht gestern bereits gezahlt?
– Nein – Hier ist Immigration, gestern war Zoll!
– Können wir in US-Dollar zahlen?
– Nein, unmöglich!
– Können Sie wechseln?
– Nein. Besorgen Sie sich TT-Dollar oder es gibt keine Papiere.

Nr.2, mein fröhlicher und diesmal ein breites, weißes Lächeln zeigender Helfer in der Not, wechselt mir bereitwillig auch diesmal den geforderten Betrag und wir dürfen – nach Entrichten des Obulus – endlich rechtmäßig den Boden Trinidads betreten.

20150625 St. Lucia – Bequia

Ein letzter Blick geht zurück in die Seitenbucht von Le Marin, wo wir – versteckt hinter der Landzunge vom Club Med – 14 schöne Tage verbrachten.

Am 25.6.15 geht’s weiter nach St. Lucia.
Da unser Heimflug für den 27.07. geplant ist und die Pia bereits am 21. Aus dem Wasser gehievt wird, bleibt uns für den schönen, vor uns liegenden Teil der Karibik nicht allzu viel Zeit.
Vergleicht man den Segler mit einem Landreisenden, so kann er wohl auch die Route planen; ob er allerdings in der Lage ist, den Fahrplan auch einzuhalten, hängt im entscheidenden Maße von Wetter, Wind, Wellen, Ankergründen und häufig auch von unerwartet anfallenden oder dringend zu erledigenden Reparaturen ab.
Wir müssen – wie sich herausstellt – straffen und streichen.
So nehmen wir uns für St. Lucia gerade mal drei Tage Zeit. Zwei Nächte in der Rodney-Bay,

der Bucht, die von der Atlantic Ralley for Cruisers (ARC) als Ziel angesteuert wird und – ähnlich wie Le Marin auf Martinique – sehr viel Platz für Yachties bietet. Ein Ausflug in die Marina, die etwas südlicher gelegene Mall, die alles bietet, was ein Segler braucht,

ein mäßiger, dafür aber teurer und mit Regenböen getoppter Tapas-Imbiss, ein Obst- und Gemüsekauf beim schwimmenden Händler

und weiter geht’s.

Es ist Samstag. Wir möchten den Markt im 5 sm entfernten Castries erleben und zum Sundowner bereits in der Marigot-Bay sein.

Seit Martinique sind Schiffe und Crew von Obelix und PIA im Doppelpack unterwegs. Haben wir nur eine kurze Distanz zum nächsten Ziel zu überwinden, ist die Obelix in der Regel zwei Stunden vor uns dort. Liegt eine größere Strecke zwischen Start und Ziel, schafft es die PIA, die Langsamkeit ihrer Crew durch größere Segelgeschwindigkeit auszugleichen oder gar die Obelix zu überholen.
Im Klartext: Sagt die Obelix-Frabrifix: „Wir werden um 8.00h ablegen, dann hört man um 7.30h das Anker-Aufhol-Manöver.
Auf der PIA hingegen sieht’s aus wie in unserem „richtigen“ Leben: Rechtzeitiges Aufstehen und Vertrödeln wertvoller Morgenstund‘ mit unverzichtbaren Ritualen wie Wasser- und Ingwerwasser trinken, einem kleinen Espresso obendrauf, drei großräumigen Schwimmrunden um die PIA, üppigem Frühstück und dem obligatorischen Gang aufs Örtchen…
Die kurze Strecke von Rodney-Bay nach Castries bestätigt Obiges. Frank und Brigitte sitzen bereits im Hafencafé als wir einlaufen. Kaum liegt der Anker, werden wir von Frank mit dem Beiboot abgeholt.

Weiter geht’s in die Marigot-Bay. Es hat mal wieder geregnet, als wir in diese schöne Bucht einlaufen.

Sofort gelingt es dem geschäftstüchtigen Boatsboy, uns eine Boje zu vermieten und etliche Flyer mit den Angeboten der umliegenden Restaurants werden uns zugesteckt.
Nach einem Sundowner auf der Obelix

verschaffen wir uns per Dinghi einen Überblick über die Situation und bleiben im „Rainforest-Hide-Away“ hängen. Hier hat alles Stil und Athmosphäre. Selbst der hauseigene Dinghi-Hafen wirkt romantisch.

Die Küche bietet „Sterne-Verdächtiges“ und unser Schmausen wird künstlerisch begleitet von Piano-Spieler und dezentem Jazz einer sehr filigran aussehenden Sängerin.

Hier in der Marigot-Bay erlebt man die Exclusiv-Variante der Karibik.

Die Souffrière-Bay an der Südspitze von St. Lucia mit den beiden berühmten Pitons (Zuckerhut -förmige Berge) lassen wir aus.
Vom Wasser aus können wir ein paar düstere Fotos schießen.

St. Vincent schauen wir uns gar nicht an. Auch die Küste dieser Insel zieht dunkel und regenverhangen an uns vorüber.

Wir rauschen in einer ungemütlichen, ziemlich stürmischen und wellenreichen Fahrt der Insel Bequia entgegen.

PIA holt auf…

Parallelfahrt mit der Obelix:

Unmittelbar vor Bequia, das wir nach einer neunstündigen Rauschefahrt erreichen, werden wir von einem Profi fotografiert. Die riesige Kamera auf einer Schulter, selber mit einem Gurt am Bug seines Dinghis gesichert, mit der freien Hand steuernd, tanzt er akrobatisch auf den Wellen herum und macht seine Fotos.
Farbe könnte allerdings auch er nur per Fotoshop in die Bilder zaubern…

Bequia
Die Admirality-Bay, eigentlich eine hübsche Bucht mit großen, hellen Sandstränden, einem wunderschönen Spazierweg entlang der Bucht, über Strände, am bewaldeten Felsen vorbei bis ins Dörfchen, Port Elisabeth, zeigt uns nicht ihre Sonnenseite. Die in der Hauptsaison wahrscheinlich aus allen Nähten platzenden Restaurants, Cafés und Strand-BBQs warten – verschlossen – auf die nächste Saison. Das Örtchen gehört den Einheimischen.
Starke Winde, häufige Regengüsse, die den Himmel düster und das Pfützen-Waten erforderlich machen, tragen nicht zur Stimmungsaufhellung bei.
Als kompletter Gute-Laune-Vernichter erweist sich mal wieder der Wassermacher. Nur mit hohem Reparaturaufwand, enorm viel Schweiß und noch mehr Ärger und Wut, können wir ihm immer mal wieder schwache Süßwasser-Rinnsale entlocken.
Einen halben Tag lang dürfen wir nachempfinden, wie schön die Bucht bei Sonne ist und nutzen das weidlich aus mit Schnorcheln und Spaziergängen.
Als wir Bequia am 3. Juli verlassen, ist uns ziemlich klar, dass wir die Cays, eines der schönsten Gebiete der Karibik wegen der vorhergesagten Starkwinde und der dort ungeschützten Ankerplätze nicht anlaufen können. Wir machen einen kurzen Stopp in Mayreaux, das unmittelbar vor den Cays liegt und fahren dann weiter nach Union Island.

20150624 Martinique

Wolkenverhangen und duster sah Dominika auf den ersten Blick aus. Auch beim Abschied wirkt es nicht wie eine Sonneninsel.

Starker Wind und kräftige Wellen treiben uns dem nächsten Ziel entgegen. Zwischen den beiden Inseln erwischt uns der erste Squall: Zwanzig Minuten lang bläst der Wind mit bis zu 39kn (Bft. 8) in die ungerefften Segel, dazu gibt der dichte, peitschende Regen das Gefühl, im Blindflug durch die Wellen zu rauschen. Dann ist der Spuk vorbei. Sein Markenzeichen: unvermitteltes Auftauchen und ebensolches Verschwinden.

Der Himmel reißt auf, herrliches Blau über und unter uns und die grüne Insel Martinique rückt näher. Wir ankern in der großen Bucht von Arlet, schnorcheln am nächsten Morgen über eine hübsche Korallenlandschaft, in der sich mehrere Schildkröten tummeln, zum Strand und genießen die Stille der Nebensaison.

…und lange Zeit der Zankapfel zwischen Franzosen und Engländern.

Die große Bucht von „Le Marin“ erreichen wir am frühen Nachmittag.

…auf der Landzunge, hinter der es in „unsere“ Bucht geht…

In der Einfahrt werden wir bereits vom Lotsenboot empfangen.

Matthias und Regina haben unsere Anfahrt per AIS (Automatisches Identifikations-System, mit dem man Schiffe erkennen und ihren Weg verfolgen kann) gesehen und lotsen uns – nachdem es an Bord ein großes Hallo gegeben hat – sehr geschickt in ihre, mit Untiefen übersäte Seitenbucht. Bei der Ehrenrunde um die dort liegende „Obelix“ werden wir von Frank und Brigitte zum Kaffee eingeladen.
Fast elf Monate liegen zwischen der letzten gemeinsamen Fahrt mit Matthias und Regina nach Lanzarote und heute. So wird‘s ein langer Abend, gefüllt mit den interessanten Erzählungen über die Afrika-Reise der Beiden auf ihrer Jasina.

(im Vordergrund rechts: Jasina; in der Mitte: Obelix)

Der nächste Tag ist komplett ausgefüllt mit einer gründlichen Einführung in die örtlichen Gegebenheiten. Le Marin bietet alles, was ein Seglerherz höher schlagen lässt oder die Geschmackspapillen eines Gourmets zum Flimmern bringen kann. Unsere unermüdlichen und äußerst ortskundigen Führer Matthias und Regina wissen sehr genau, wo man welche Schätze finden kann und lassen uns – nicht ganz unbeabsichtigt – am „Highfield“-Laden entlang schlendern.
Peters Augen glitzern. Schon lange liebäugelt er mit einem neuen Dinghi. Es sollte größer sein als das Bisherige, dickere Wülste haben und einen doppelten Boden. Und da steht „Sie“ aufrecht vor uns:
Die neue Liebe mit den Traummaßen: 3,48m x 171m und ganz schön aufgeblasenen Hüften.

Die Probefahrt gefällt. Motor und Dinghi passen perfekt zueinander. Einen Tag noch werden Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen bis der einzig übrig gebliebene Nachteil – der Preis – in Kauf genommen werden kann.

Zwei Tage mieten wir ein Auto und schauen uns die Insel an. Das Inselinnere – wie bereits Guadeloupe und Dominica – ist von üppigem Grün überzogen. Dschungelartig, sich teilweise wie ein ineinander geschlungenes Blätterdach über die gewundenen Straßen legend, wird es an anderen Stellen von ausgedehnten Bananen und Zuckerrohrfeldern abgelöst.

Im Norden der Insel bedeckt dichter Regenwald die Berge, die im einzigen aktiven Vulkan, dem Mont Pelée, gipfeln. Dessen letzter Ausbruch (1902) machte die ehemalige Hauptstadt von Martinique, St. Pierre, dem Erdboden gleich. Die Stadt erholte sich nie wieder und zeigt sich heute als ein verträumtes, ein wenig heruntergekommenes Dorf an der nördlichen Westküste.

Ein wundervoller tropischer Garten, der „Jardin de Balata“, schließt sich – in luftiger (und kühler) Höhe – um ein kreolisches Anwesen und zeigt in herrlichen Anlagen alles was auf Martinique wächst und gedeiht.

Der zweite Ausflug auf Martinique gilt der Ostküste. Dem Ozean zugewandt, ist sie wesentlich wilder und rauher als ihre Schwester im Westen, vom Bootstourismus kaum beleckt und von Badegästen wohl eher auch stiefschwesterlich behandelt. Vielleicht liegt es an der Nebensaison, dass wir an manchen Stränden einsame Spaziergänger sind, vielleicht werden die Touristen aber auch vom Gestank der verrottenden Sargasse vertrieben oder das Wetter lockt die wenigen Urlauber heute eher in die Städte als ans Wasser.

Aber sie hat ihren Reiz.

Die Halbinsel Caravelle erweist sich als ein ganz besonders schönes Fleckchen Insel.

Am Samstag können wir das neue Dinghi abholen.
Ein Schiff muss, bevor es in See sticht, getauft werden…das ist die einhellige Meinung unserer Freunde. Also gut. Der Tauftag ist festgelegt: Sonntag, der 21.6.2015. Nun muss nur noch ein Name her. Regina und ich haben die gleiche Idee: „Ti Pia“ .
„Ti“ bedeutet „klein“ auf Kreolisch. Und da man hier auf Martinique, wo wir das Boot gekauft haben, kreolisch spricht, wird es uns immer ein wenig an diese Insel erinnern.

Sonntagmorgen, 11.00h

Die Taufgesellschaft ist eingetroffen mit Geschenken und guten Wünschen und… dem Namenszug des Täuflings, von Regina entworfen. Wir sind total begeistert.

Der Segelfisch, ein Marlin, der an unseren Blog erinnert, springt elegant und schneidig zwischen „Ti“ und „Pia“ aus dem Wasser.

Die Taufe:
„Ich taufe Dich auf den Namen „Ti Pia“, wünsche Dir und Deiner Crew allzeit gute Fahrt auf den Meeren dieser Welt und immer so viel Wasser unterm Kiel, dass die Schraube des Außenborders nicht stecken bleibt“…

Darauf stoßen wir an.

Am Mittwoch, dem 24.Juni erhält „Ti Pia“ seinen (ihren) Namen, wird abends unter die Sonnenpaneele gewinscht, um am nächsten Tag die erste längere Fahrt – nach St. Lucia – in der Schwebe anzutreten…