20150720 Union Island und Carriacou

Aufmerksame Leser fragen nach, ob unser SatPro streikt, oder ob wir incognito oder nicht verfolgbar nach Trinidad segeln wollen.
Unser SatPro ist offensichtlich – und von uns absolut unbemerkt – auf Bequia ausgestiegen. Aus Langeweile???
Ja, wir bleiben vier Tage in der Bucht von Port Elizabeth, immer in der Hoffnung, dass der Wind nachlassen möge, um unser lange ersehntes Ziel – die Tobago-Cays – anlaufen zu können.
Diese kleine Inselgruppe, unbewohnt, sehr flach, schlecht geschützt gegen Nord-Ostwinde mit trickigen Riffeinfahrten, soll zum Schönsten gehören, was die Karibik zu bieten hat.
Aber der starke Wind bleibt und damit auch die Schönheit der Tobago-Cays von uns unentdeckt.
Ein kurzer Abstecher in die große Bucht von Mayreaux zeigt uns, dass wir auch dort besser nicht auf ein Nachlassen des Windes warten, während die Obelix das Gleiche berichtet von Clifton-Bay, im NE von Union Island.
Also segeln wir in die Chatham-Bay, im Süden von Union Island, in der wir ordentliche Fallböen auf die Mütze kriegen.
Vor uns liegt ein langgestreckter Sandstrand mit vier vereinzelten Hütten und einem Restaurant am anderen Ende. Alle werben mit frischer, lokaler Küche, Grillspezialitäten und Live-Music.
Frank fragt über Funk, ob wir der persönlichen Einladung des Chefs der ersten Hütte (der mit seinem Dinghi bereits zur Obelix gedüst ist) folgen sollen. Natürlich! Für uns vier(die einzigen Gäste) wird allerfeinst gekocht: Gegrillter Fisch, Ribeye-Steaks, gegrillte Hähnchenspieße, Lambi-Muschel-Eintopf, überbackene Auberginen und Kartoffeln, gebratene Bananen, Reis…
Es ist ein gemütlicher Abend und gleichzeitig netter Einstieg in die Chatham Bay.
Am Samstag haben wir Kino.
Ab 7.00h geht es lautstark zur Sache. Fischer bereiten am Strand ihre Netze vor, um sie dann – sorgfältig geordnet, mit schweren Steinen am unteren Rand versehen und zum Auswerfen bereit – in ein Boot zu hieven.
Ein zweites Boot (für den Netzanfang) bringt sich in Stellung.
Drei Fischer sind mit dem sehr anstrengenden Auslegen des Stein-beschwerten Netzes beschäftigt, während einer das Boot rudert.
Währenddessen versuchen zwei Schnorchler – mit seltsam heraus flappenden gelben Flossen – die Fische in Richtung Netz zu treiben.

Eine halbe Stunde hören wir lautes Rufen, Korrigieren, Auffordern, Anfeuern oder Schimpfen. Für uns nicht zu unterscheiden. Dann liegt das Netz im Kreis und 8 Männer sitzen lachend, scherzend und abwartend in den beiden Booten.
Eine halbe Stunde später wird das Netz vom Ende her – Hand über Hand – ins Boot gezogen, um die Fische sukzessive aus dem Netz zu „pflücken“.

Die magere Ausbeute dieser dreistündigen, Kräfte-zehrenden Aktion ist, soweit wir das sehen können, drei etwa 40cm lange Fische pro Person.

Zum Ausklarieren müssen wir nach Clifton Harbour. Die Luftaufnahme des Hafens zeigt türkisfarbenes Wasser über der Riffplatte, die mitten im Hafen liegt und über der, die den Hafen zum Norden hin begrenzt. Fährverkehr auf einer Seite, große Ausflugskatamarane auf der anderen, dazwischen Bojen und Ankermöglichkeiten (soweit vorhanden). Uiuiui! Mir rutscht da immer ein bisschen das Herz in die Holzschuhe. Aber Boatboy Benji kommt angerauscht und vermietet uns eine Boje. Guuuuut!

Funkruf vom just eingetroffenen Frank: Wir haben einen Bonito geangelt und bereits filetiert. Wollen wir Sushi essen? Klar! Rüber zur Obelix mit einer Flasche Sprudelndem aus der Champagne.

Und genießen…
Am späten Nachmittag fahren wir ins Örtchen. Tote Hose. Es wirkt wie ein verlassenes Wild-West-Kaff. Alle Läden geschlossen, die nicht vorhandenen Bürgersteige hochgeklappt, am Straßenrand ein paar traurige, träge Einheimische…


(Das Lambi-Muschelfleisch wird hier als Delikatesse angeboten, ist aber äußerst selten eine solche, da meist sehr zäh…)

Die Erklärung: Natürlich ist hier alles geschlossen und kein Mensch da, weil Karneval in St. Vincent. So, Mo, Di…ab Mittwoch wird hier wieder Leben einkehren und auch das Ausklarieren möglich sein. Also bleiben wir auf der PIA, genießen die Aussicht auf diese grandiose Wasserfarbe über dem Riff, lesen, schauen den vorbei rauschenden Kite-Surfern zu und nehmen zum Abschied einen Sundowner in der Hütte auf dem Riff, direkt vor unserer Nase.

Beim Ausklarieren am Mittwochmorgen sehen wir, dass die Aussage der Inselbewohner stimmt. Alle Geschäfte sind offen, es gibt einen kleinen Markt am Dorfplatz und viele Leute auf der Hauptstraße.

Aber es zieht uns nach Carriacou. Nur gut eine Stunde benötigen wir bis zum Ankerwerfen in der Hillsborough-Bay. Einklarieren bei den wichtigen und ernsten Beamten von Immigration und Zoll und Schlendern über die Hauptstraße, in der das Leben pulsiert. Ich find‘s einfach nur schön!
Frank und Brigitte haben ein Café entdeckt. Das Kajak-Café, betrieben von einer veritablen „Old English Lady“. Kuchen lachen mich normalerweise nicht sonderlich an, aber diese!!!! Suuuuper! Es gibt guten Kaffee mit Kaffeesahne (hier eine Rarität!!!) und wir können schwelgen.
Ein Einkauf noch in „Pattys Deli“, wo es Entsprechendes zu entsprechenden Preisen zu kaufen gibt und dann gehen wir Ankerauf, weil der Ankerplatz – wegen des Fähranlegers und der vorbei rasenden Powerboote einfach zu unruhig ist.
Wir funken mit Frank, der aber gerade zu beschäftigt ist, da er wieder einen Fisch an der Angel hat.

Peter meint, dass es auch für uns an der Zeit sei, mal wieder die Angel zu setzen. Gesagt, getan.

Die alternative Ankerbucht rückt näher. Wir fahren ein und beginnen mit dem Ankermanöver, d.h. Peter ist am Anker, ich am Steuer.

„Der Anker liegt, Maschinen rückwärts!“

„Jawoll!“ Und Sch….!!! Die Angelleine!!!

Sie strafft sich bereits unter dem Heck!!!

Stb-Maschine aus. Ist sie schon in der Schraube???

Peter kommt ans Heck und sieht die Bescherung. Badehose an, scharfes Messer, Schere und er verschwindet im Wasser. Er taucht auf und drückt mir das abgeschnittene Ende der Angelleine in die Hand, um wenigstens den Köder noch zu retten.
Dieser hüpft und springt beim Einrollen quicklebendig auf der Wasseroberfläche herum und…plötzlich…ich erschrecke mich zu Tode, wird das Wasser im Zickzack aufgepeitscht, ein langer, spitzer Fischkopf taucht auf, aufgerissener Schnabel, aufgepeitschtes Wasser…

Die Angelleine zieht sich in die Hand, ich halte fest, wage aber nicht, sie einzuholen, weil ich panische Angst habe, von diesem, mit spitzen Zähnen bewehrten Maul gebissen zu werden.

Stattdessen schreie ich meinen tauchenden Mann herbei. Er hält dann das zappelnde Monster, während ich ihm einen Schnaps in die Kiemen gieße und es mit weit aufgerissenem Schnabel (hoffentlich) einem gnädigen Ende entgegensieht.

Was für einen Fisch haben wir denn da gefangen? „Obelixens“ meinen, es könnte ein Hornhecht sein, womit sie Recht behalten, wie zwei Fischbestimmungsbücher beweisen. Er macht mir keinen besonders fleischigen Eindruck und ich würde ihn am liebsten wieder seinem Element überlassen als Futter für die Artgenossen.

Der experimentierfreudige Frank denkt anders. So ist der Kopf schnell abgeschnitten, der Bauch aufgeschlitzt und der ellenlange Darm mit allen anderen Eingeweiden entfernt. Noch schnell die Schuppen entfernen, vier Koteletts abschneiden und auf den Grill damit.
Eine Geschmacksexplosion ist das nicht, also wird es morgen die zweite Hälfte in Weißweinsauce geben. Um es vorwegzunehmen: Das schmeckt!!! Ein seltsam ästhetischer und gleichermaßen praktischer Effekt für Grätenhasser: Rückgrat und Gräten des Hornhechts sind oder verfärben sich beim Erhitzen hellgrün.

Das Corpus delicti aber, dem wir diesen Fang verdanken, hat sich unzählige Male um die Schraube gewickelt so dass Peter am nächsten Morgen noch einmal ans Werk gehen muss, um die Leine komplett zu entfernen.

Für den nächsten Tag haben wir ein Taxi gebucht. Vincent wird uns in etwa drei Stunden alle Sehenswürdigkeiten der Insel zeigen, die da wären: Paradise Beach, das Krankenhaus auf dem höchsten Punkt der Insel und die Schiffswerft in Windward.

…und es liegt direkt vor der Werft. Will man damit auf die Qualität der Arbeit hinweisen???

In helle Begeisterung verfallen wir, als wir von der Nordostspitze der Insel auf die Tobago-Cays, Mayreau, Petite Martinique, Petit St. Vincent und Union Island schauen können. Eine von Riffen umgebene Wasserfläche, die kaleidoskopisch alle Farbtöne zwischen hellem Türkis und Königsblau wiederspiegelt.
Hat man die Zeit, auf entsprechendes Wetter zu warten, sollte man dieses Gebiet auf keinen Fall unbesegelt lassen.

Unsere Zeit hingegen drängt. Wir müssen weiter…

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