20150119 Heute, genau vor einem Jahr…

…sind wir von San Miguel auf Teneriffa nach Las Palmas auf Gran Canaria gesegelt.
Unsere Intention: Weg von dem Hafen, in dem die PIA vom Blitz getroffen wurde und wir uns in zunehmendem Maße eingesperrt und abgeschnitten vorkamen.
Unsere Hoffnung: In der Stadt der tausend Möglichkeiten, deren Schiffsausrüster jährlich hunderte von Schiffen ausstatten und flott machen für die Atlantik-Überquerung, ganz schnell die Behebung des polymorphen Schadens miterleben zu können.
Unsere Enttäuschung: Das Sich-Winden und Sträuben der ESA-Yacht-Versicherung, den Blitzschaden als solchen anzuerkennen und eine schnelle Regelung herbeizuführen.
Unser Resümee: Trotz vieler Rückschläge, Enttäuschungen und manch ausweglos erscheinender Situation können wir das Jahr auf den Kanarischen Inseln genießen, nicht zuletzt dank der vielen netten und interessanten Menschen, die wir hier kennen lernen. Der „Katamaran mit dem Blitzschaden“ ist bekannt wie ein bunter Hund und fordert immer wieder die Experten verschiedenster Fachrichtungen zur Diskussion heraus.
Der Silberstreif am Horizont zeigt sich allerdings mit der Ankunft von Matthias und Regina, die nicht müde werden, uns moralisch und tatkräftig in allen Richtungen zu unterstützen. Hier noch einmal ein dickes Dankeschön an die Beiden, ohne die wir häufiger mit hängenden Köpfen anzutreffen gewesen wären.
Unser Gewinn: Durch das Handeln nach dem Motto: „Selbst ist der Mann“ und der Durchführung aller Reparaturen in Eigenregie, lernen wir die geheimsten Winkel der PIA kennen, wird Peter zum Beinahe-Elektriker und ich zum Handlanger ohne Widerrede. (Anmerkung des Lektors: Das mit der Widerrede ist mir total entgangen!)
Das Warten auf eine Reaktion der Versicherung, auf bestellte Ersatzteile und die Zeit der Reparaturen wird uns versüßt durch Diskussionsrunden beim Kaffeeklatsch, Seglerhocks oder Grillabende sowie durch liebe Besucher aus der Heimat, in deren Gesellschaft wir die Insel erobern.
Nicht zuletzt verdanken wir diesen Umständen einen dreimonatigen Aufenthalt auf unserer Lieblingsinsel Lanzarote und eine wunderschöne Weihnachtszeit mit der ganzen Familie in Mannheim.
So wird uns das Jahr auf den Kanarischen Inseln insgesamt als ein schönes in Erinnerung bleiben, denn wieder einmal bewahrheitet sich eine alte Lebensweisheit: „Es ist nichts so schlecht, als dass es nicht für irgendetwas gut wäre.“

20141210 „Hasta luego Lanzarote“…

Das Resumee von drei Monaten Lanzarote: Es war eine wunderschöne Zeit.

Unser letzter Hafen, die Marina Lanzarote in Arrecife ist blitzneu. Sie ist gerade eingeweiht und die PIA ist das 3. Boot, das vom Riesen-Travellift auf das schier jungfräuliche Werftgelände gehievt wird.

Von den Glasfronten an der schick angelegten Flaniermeile verschwinden nacheinander die Ankündigungen: „Wir sind in Kürze für Sie da“, um den Blick auf ansprechend Gestaltetes frei zu geben. Restaurants verschiedenster Geschmacksrichtungen, Cafés, Bistrots, hübsche Boutiquen und Parfümerien öffnen ihre Pforten.

Arrecife hat – neben dem „Charco“ – einem, von Meerwasser gespeisten, runden Stadtsee, auf dem kleine Fischerboote liegen und an dessen Rand sich viele, kleine Restaurants mit Pfiff angesiedelt haben, eine weitere Attraktion bekommen.

Bleibt zu hoffen, dass die kühle, moderne Marina von Einheimischen, Seglern und Kreuzfahrt-Touristen ebenso angenommen wird wie der von spanischer Lebensfreude und Lebendigkeit geprägte „ Charco“.

Die grauen Panther von Arrecife gehören zu einer – fast schon schützenswerten – Minderheit innerhalb der überwiegend jungen Seglergemeinde.
Frank, Brigitte, Peter und Dorothee haben sich nicht gesucht, sie sind fast aufeinander geprallt. Anfang November, im Morgengrauen, legen zwei windzerzauste, in rote Segelanzüge gehüllte Gestalten dieser Gattung neben uns an. Der erste Ausruf nach der Begrüßung: „Nie Wieder“!… Sie hatten eine stürmische Überfahrt von Lagos nach Arrecife und wollen sich so etwas keinesfalls noch einmal antun.

Vier Wochen vergehen, wir sind häufig zusammen, haben sehr ähnliche Lebensumstände, Vorlieben, Erfahrungen und Ziele und diskutieren über die geeignete Besegelung, Ausrüstung, Notfälle und auch darüber, ob man in unserem Alter den Sprung über den Atlantik alleine wagen sollte.
Aus dem „Nie Wieder“ wird ein „eventuelles Eventuell“ oder eher „Vielleicht“, das man mit geeigneter, zu beherrschender Besegelung unter Umständen in ein allmählich kräftiger werdendes „Ja“ umwandeln könnte.

„Passatsegel“ mit Spinnakerbaum gefahren, heißt der Favorit für unsere PIA, (die von Frank als segelndes Klavier bezeichnet wird); „Twisselrigg“ heißt die geeignete Zwillingssegelvariante für Franks und Brigittes „Obelix“ oder das halbe Schiff
(wie wir Catamaransegler eine Einrumpfyacht bezeichnen).

Henning Krützkamp
oder die Firma Waterline-Yachtservice ist unser gemeinsamer Berater. Er versteht es, sich in Probleme hineinzudenken und tüftelt – gemeinsam mit Peter – auch andere geschickte Lösungen heraus. Ein Spinnakerbaum wird gebaut, der exakt so lang ist, dass er bei Ausfall des Lenkgetriebes auf die beiden Notpinnen aufgesteckt werden kann, um die parallele Steuerung der Ruderblätter zu gewährleisten. Der Aufsatz für den 2.Steuerautomaten wird so geändert, dass er im Notfall auch mit der Pinnensteuerung funktioniert.

Einstiegssicherungen für die großen Luken werden gebaut,

eine pfiffige Konstruktion zum Setzen des Großsegels ebenfalls. Und alle Arbeiten kommen mit Liebe zum Detail und perfekt poliert daher… Wir sind sehr zufrieden.

Dennoch macht sich Kribbeln breit. Wir müssen endlich los! So ziehen wir noch am Abend des 7. Dezembers bei sehr viel Wind die beiden Vorsegel ein, die mit ihren wild schlagenden Schoten die frisch polierten Fensterscheiben malträtieren.
Bei Windstärke 5 laufen wir am nächsten Morgen aus. Schwupp sind die Passatsegel ausgerollt und stehen prächtig. Wir rauschen mit 9-12kn Richtung Rubicon, testen die neue Furlex, indem wir die Segel mehrfach einrollen und wieder ausreffen und sind allerbester Laune.
Um Kurs auf die Hafeneinfahrt von Rubicon nehmen zu können, müssen wir das Stb.-Segel auf die BB-Seite holen und die Schothörner zusammenbinden. Nicht ganz einfach aber auch das klappt.
Dann kommt der Befehl: „Fieren“, der von mir sofort befolgt wird. Aber was ist das? Peter kurbelt aus Leibeskräften mit immer lauter werdenden Kommandos. Schoten und Segel knallen und schlagen bereits wie verrückt aber die Furlex bewegt sich keinen Millimeter.
Ein Blick nach links erklärt das Dilemma. Peter hat die Schoten verwechselt und statt des Fockholers die lose an der Relingsstütze belegte 2. Schot gewinscht und damit die stabile Edelstahlstütze rechtwinklig abgeknickt.

Eine tolle Bescherung, die sich da hinter dem 8. Adventskalendertürchen auftut!
Zum Glück erweist sich das 8. Türchen als Doppeltür. Hinter der 2. Tür tauchen Gaby und Wolfgang auf. Sie empfangen uns am Gästesteg der Marina Rubicon und laden uns zum Adventskaffee mit selbstgebackenen Plätzchen, auf ihre weihnachtlich geschmückte Yacht ein. Die Gesellschaft der Beiden sowie das adventliche Ambiente mit ebensolchen Köstlichkeiten sind Balsam für Körper und Seele.
Am späteren Nachmittag erfahren wir noch einmal, wie gemütlich der Advent – wenn er denn auf deutsche Art und Weise begangen wird – sein kann, als wir von Henning und Katrin in ihr wunderschönes Zuhause eingeladen werden. Da schleicht sich dann doch massiv die Vorfreude auf den Heimataufenthalt ein.
Ein letztes Abendessen mit der „Rubicon“-Seglergemeinde im Stammlokal „Eve“ bedeutet das endgültige „Hasta luego“ von Lanzarote.

Die Langschläfer des Marinabüros verhindern das frühe Auslaufen am Morgen des 9.12.’14. Wir müssen Zwei Stunden warten, um unsere Liegegebühren zahlen zu können. Unser Ziel, die Marina von Las Palmas, werden wir schätzungsweise in 12 – 14Std. erreichen.
Die Beständigkeit des Tages liegt in ihrer Unbeständigkeit. Windstärke und –richtung, Sonne und Wolken scheinen uns ziemlich an der Nase herumführen zu wollen.

Ausbaumen des Stb.-Segels mit dem neuen Spi-Baum, zusätzliches Festlegen des BB-Segels mit dem Großbaum, flotte Fahrt, dann Fast-Flaute mit Sonnen auf dem Vordeck und flappenden Segeln, Kursänderung, um Passatsegel noch ein wenig fahren zu können, Winddrehung und damit Ende der „Passatsegelei“. Bäume werden weg- bzw. zurückgebaut und die Segel auf die Stb.-Seite genommen. Mit mäßigen, nun aber gleichbleibenden Winden segeln wir Las Palmas entgegen und müssen uns ab 23.00h durch das verwirrende Lichtermeer des emsigen Vorhafens bis zum Sportboothafen durchhangeln. Der sieht sehr belegt aus und wir befürchten, keinen Liegeplatz zu bekommen.
Um 0.00h, d.h. nach 14Std. machen wir an der Tankstelle fest. Ziemlich müde wollen wir uns noch ein Schlafbierchen genehmigen. Niemand hat bisher an das Adventskalendertürchen Nr. 9 gedacht. Fatal! Hat es sich gedanklich vernachlässigt gefühlt? Es ergießt sein Füllhorn buchstäblich über uns. Beim Betreten der BB-Achterkajüte beschleicht mich das unbestimmte Gefühl, in eine abgekühlte Dampfsauna zu kommen. Auf dem Boden die Reste kleiner Wasserpfützen, deren Hauptanteil in die Bilge gelaufen ist, wo unsere Getränkevorräte bereits im Wasser schwimmen. Beim Öffnen der Tür zu Boiler und Wassermacher blicke ich in ein Hammam: Wasserdampf, der sich an Decke und Wänden abgesetzt hat und außerdem von allen Geräten tropft. Die Ursache: Eine geplatzte Heißwasserleitung
Wir nehmen es einfach so hin, liegen um 3.00h endlich in der Koje und schlafen in den 10. Dezember hinein.
Um 8.00h klopft es ziemlich forsch an der Bordwand: „Wollt ihr tanken?“ Dann aber „ rapido, por favor!!!“ …oder ihr verschwindet augenblicklich. Noch ziemlich verschlafen stürzen wir an Deck. Peter nimmt den Schlauch entgegen, füllt die Dieseltanks bis die Füllstandsanzeige den Maximalstand von 350l anzeigt, um dann festzustellen, dass wir den antibakteriellen Zusatz vergessen haben. Schnell ist er hinein gekippt und mit zusätzlichen 20l Diesel pro Tank ordentlich untergemischt. Nun wird der Reservetank noch gefüllt. Fertig. Allseits zufriedene Mienen und Freundlichkeit und das Geleit an einen freien Liegeplatz runden den frühen Morgen harmonisch ab. Um 10.00h liegen wir gut vertäut vor Mooring und Steg und lassen uns das Frühstück schmecken.
Danach wollen wir uns an die „Trockenlegung“ des Sumpfes in der BB-Bilge machen.
Noch hat das Adventskalendertürchen Nr. 10 uns seine Überraschung ja nicht offenbart. Aber jetzt. Es riecht ein wenig nach Diesel. Auf dem Wasser in der Bilge schwimmt ein Dieselfilm. Nett.
Die schnelle Diagnose: Tanks überfüllt, sodass sich der Diesel an einer kleinen, undichten Stelle herausdrücken konnte. Das Ende vom Lied und die Arbeit eines ganzen Tages heißt: 20l aus jedem Tank umpumpen in den Reservetank, von dort Abpumpen in Kanister und anschließend Trockenlegung der Bilge, in die sich immerhin ca. 80l Wasser ergossen haben
Ein Tag bleibt uns noch, um das Schiff für die Zeit unserer Abwesenheit vorzubereiten, dann geht’s mit dem Flieger nach Hause. Die Aussicht auf das Weihnachtsfest mit der ganzen Familie, den Verwandten und Freunden lässt unsere Herzen höher schlagen.