20170424 Havanna

Einen ersten Eindruck von Land, Leuten und dem Leben auf Kuba bekommen wir während unseres Drei-Tage-Trips nach Havanna.
Möchte man in kurzer Zeit viel von Kuba sehen, bucht man am besten beim offiziellen Anbieter eine All-Inclusive – Rundreise. Dabei sieht man sicherlich – auf angenehme und komfortable Weise – alles das, was sehenswert und repräsentabel ist, kann allerdings nicht ins wirkliche Leben auf Kuba eintauchen.
Kuba lässt sich natürlich auch individuell bereisen, jedoch nur dann, wenn man unendlich viel Zeit hat oder begeisterter, weit vorausschauender Planer oder aber Improvisationskünstler ist.
Das staatliche Reisebüro „Cubatur“ bietet vollklimatisierte Touristenbusse, die mehrere Tage im Voraus gebucht werden müssen und vermittelt keine Privatunterkünfte.
Die offiziellen Busse sind sehr günstig, unbequem, haben keine genau festgelegten Abfahrtszeiten und nehmen Fahrgäste nur dann mit, wenn auch noch ein Platz frei ist.
Es gibt eine einzige Bahnlinie, die den Westen mit dem Osten verbindet. Sie ist günstig, unendlich langsam und man hört von Pannen mit bis zu fünfstündigen Aufenthalten, mitten in der Pampa, bei sengender Hitze und ohne Verproviantierungsmöglichkeiten.
Eine dritte Reisemöglichkeit bieten die „Collectivos“, Großraum-Taxi-Veteranen, die acht Gäste – zusammengedrängt auf drei Sitzbänken – von A nach B befördern.
Und die vierte, wie man meinen möchte, komfortabelste Art zu reisen, ist die Fahrt mit einem Taxi. Stimmt, wenn man ein staatliches Taxi erwischt. Weit gefehlt aber, wenn man ein Privat-Taxi beauftragt. Davon gibt’s unendlich viele, da jeder Autobesitzer, dessen Gefährt noch irgendwie zusammenhält und rollt, seine Chauffeurdienste anbietet. Ob komfortabel oder Veteran: Taxifahrten auf Kuba lassen den Geldbeutel rapide magersüchtig werden.
Unsere Vorstellung, Kuba mit dem Mietwagen zu bereisen, scheitert daran, dass keine Mietwagen zur Verfügung stehen. Sie müssen lange Zeit im Voraus (s. akribische Planung!) gebucht werden und kosten im Schnitt auch 90 -100 CUC/Tag.
Da Segler sich im Allgemeinen mit dem Einhalten von Zeitplänen schwer tun, entscheiden wir uns für die „Ad hoc“ Variante. Wir erkunden Kuba per Taxi und Collectivo.
„Dario“, ein gut aussehenden Kubaner vor der Marina von Cienfuegos, vermittelt Privattaxis an besichtigungsfreudige Touristen. Er ist Spezialist für Kurztrips zu allen Destinationen Kubas und kennt viele private Taxifahrer, die wiederum die Inhaber etlicher „Casas Particulares“ kennen. Letztere werden von Privatpersonen betrieben, die meist in der eigenen Wohnung ein bis zwei Zimmer (für 30,- bis 35,- CUC) zu vermieten haben. Für 5,-CUC/Pers. gibt’s Frühstück, manchmal bietet das Haus auch Abendessen an.
Joel, unser freundlicher „Privater“ holt uns morgens mit seinem Kleinwagen ab. Das Auto: Optisch sauber und gepflegt, technisch: 3 Klassen unter TÜV-Niveau. Die Koffer passen in den Kofferraum, die Rucksäcke müssen wir zwischen den Beinen verstauen. Wim sitzt neben dem Fahrer, Peter, Trudi und ich quetschen uns auf der Rückbank zusammen.
Klimaanlage? Fehlanzeige. Es ist drückend heiß, die Seitenfenster – mit blauer Folie beklebt – lassen eine öde Landschaft im Einheitsgrau vorbeiziehen. Wir wollen ein Fenster herunterkurbeln. Von der Kurbel ist leider nur noch der Stumpf zu sehen. „Kein Problem“ tönt es jovial vom Fahrersitz. Joel reicht uns eine Zange nach hinten. Wohl doch ein Problem… denn die rutscht am abgeschliffenen Konus immer wieder ab. 😉 😉
Nach dreistündiger, die Bandscheiben stauchender Fahrt, können wir endlich wieder die Beine ausstrecken. Joel setzt uns – am Ende des Prachtboulevards – vor unserer Casa Particulara bei Fefita und Luis ab. Wir werden sehr herzlich begrüßt und bekommen ein paar Tipps für ein erstes Beschnuppern dieser facettenreichen Stadt.
Laut, pulsierend, voller Musik, Prachtboulevards und -bauten mit dem verblichenen Charme der fetten Jahre, daneben ärmlichste Wohnhöhlen, glänzende, topgepflegte Oldtimer neben Schrottkisten, kaum Fahrradrikschas, dafür aber Fiaker und gelbe Cocotaxis deren Fahrer die Touristen förmlich in IHR Gefährt hineindrücken wollen…


Der Prachtboulevard, an dessen Ende unsere Casa particulara liegt

Am Parque Central, wo Fiaker, Cocotaxis und Oldtimer gleichermaßen um Kundschaft buhlen, lassen wir uns von einem Fiakerfahrer zu einer einstündigen Stadtrundfahrt überreden.

Havanna im Schnelldurchgang, vorbei am – mit Touristen vollgestopften – „Floridita“, einer kleinen Bar, in der Hemmingway seinen Daiquiri schlürfte,

mit einem Stopp im „Dos Hermanos“, einer Bar, die den „beiden Brüdern“ Fidel und Hemmingway gewidmet ist.

Am hellichten Tag gibt’s bereits den ersten „Mojito“, der uns zum Glück nicht sofort umhaut. Wir prosten unserem Kutscher zu, der mit einer „CUBA LIBRE“ anstößt und uns augenzwinkernd zu verstehen gibt, dass das wohl eine glasklare Lüge sei.

Im Nu haben sich fünf Musiker um uns versammelt, die flotten, fetzigen Salsa zu Gehör bringen. Herausragend, brillante Akzente setzend, präsentiert sich die Querflötistin. Natürlich kaufen wir eine CD in der festen Überzeugung, dass wir diese tolle Unterhaltung an Bord wiederholen können. Wir trauen unseren Ohren nicht, als wir – beim Abspielen der CD – gar keine Querflöte hören und nur die restliche Band mit Sulzigem in schlechter Tonqualität.
Ein zweites Mal werden wir noch hereinfallen, bis wir gelernt haben, dass man die angebotene CD der Straßenmusiker (die fast in jedem Lokal zur Essenszeit aufspielen) auch freundlich ablehnen kann und ein kleines Trinkgeld ebenso willkommen ist.

Havanna in zwei Tagen zu erkunden ist unmöglich, selbst der Ansatz dazu… sportlich. Wir tun, respektive erlaufen, was wir können. Über den Prado, (Prachtstraße) mit einem erhöhten Fußgängerboulevard in der Mitte, gesäumt von wunderschönen, alten Straßenlaternen, steinernen Löwen, Bänken und schattenspendenden Bäumen erreichen wir den Parque Central, den Zentralen Platz von Alt-Havanna, der umgeben ist von architektonischen Schönheiten diverser Stilrichtungen. Wundervoll verschnörkelte Fassaden aus Neobarock mit Jugendstilelementen am Gran Teatro, Neoklassizismus am Hotel Inglaterra (die älteste Herberge Kubas) daneben das moderne Iberostar Nobelhotel, von dessen Dachterrasse aus man einen grandiosen Blick über Havannas Dächer (oder unaufgeräumte, Rumpelkammer-Flachdächer) hat.
Über allem aber erhebt sich der Protzbau des Capitolio National (eine Replik des Washingtoner Capitols) und – wie man sagt – mit seiner 62,..?m hohen, säulenumkränzten Kuppel einige Zentimeter höher ist als der Washingtoner Regierungssitz.
Viel interessanter geht’s in den kleinen Gassen von Alt-Havanna zu.

Palaver von Balkon zu Balkon, flatternde Wäsche an Balkongeländern, ein Pappschild (mit Rasierpinsel) an einer offenen, nur noch in der unteren Angel hängenden Tür mit dem Hinweis, dass es weiter hinten einen Barbero gibt. Fußballspielende Kinder, die den Ball geschickt um gerade auslaufendes Abwasser dribbeln, alte Frauen, die sich ein kleines Taschengeld verdienen wollen, indem sie den vorbeischlendernden Touristen Kaffee aus einer Thermokanne anbieten, dunkle Wohn- und Arbeitshöhlen, in denen – auf lehmgestampftem Boden – ein großes Bett steht, das belegt ist von der fern-sehenden Familie, daneben alle Utensilien für die Arbeit eines Schmiedes.

Meist im ersten Stock angesiedelt: die „Paladares“, kleine Privatrestaurants, deren Küche dem Können der Hausfrau oder ihres Göttergatten entspricht. In der Regel gibt es Essbares zu günstigen Preisen, selten findet man richtig gute Küche.
Auch Straßenfeger/-innen gibt hier noch zuhauf. Selbst schlecht gepflasterte und mit Stolperfallen übersäte Gassen machen in ihrer allgegenwärtigen Verfallenheit und Armut keinen schmutzigen Eindruck.
Wir lernen, dass man auf Kuba (hoffentlich bleibt das mit ansteigendem Tourismus so) als Tourist – völlig unbekümmert und unbehelligt – durch Viertel schlendern kann, die man in einer europäischen Großstadt niemals betreten würde.

Die wunderschöne Plaza de la Catedral lädt zum Verweilen ein. Die Kathedrale selber ist nicht zu besichtigen aber vom Restaurant „El Patio“ mit seinem prachtvollen Loggien-Innenhof hat man einen tollen Blick auf die, den Platz umgebenden, mit Arkaden geschmückten Kolonialbauten.

In einer kleinen Seitenstraße finden wir den empfohlenen, äußerst gemütlich eingerichteten „Paladar“ der „Dona Eutimia“, in dem es sowohl gutes Essen als auch (zu unserem großen Erstaunen) eine kleine Weinkarte gibt.


…gleich um die Ecke: eine von Hemmingways Lieblingskneipen, in der sich die Touristen mit Kritzeleien an der Wand verewigen…

Den Absacker nehmen wir in Sloppy Joe’s Bar. Deckenhohe, dunkle, glänzende Regale mit allen erdenklichen Rumsorten gefüllt, daneben hochprozentige ausländische Raritäten, ein Humidor, in dem hinter der Glasscheibe diverse Cohibas auf ihren Raucher warten, eine stilechte Glastheke, die kleine Snacks präsentiert, dezenter Salsa im Hintergrund und tausende von Fotos mit Widmungen der Persönlichkeiten, die Sloppy Joe’s Bar beehrten, erinnern an die 1920er-Jahre, in denen Havanna für Tausende von Amerikanern DAS Vergnügungsparadies war.
Am 8. März, Peters Geburtstag, müssen wir uns von Wim und Trudi verabschieden. Gemeinsam schauen wir uns noch das Museo de la Revolucion an.

Es ist im einstigen Präsidentenpalast, dem gewaltigen Prachtbau der Batista-Regierung untergebracht und zeigt die Geschichte Kubas, vor allem aber die der kubanischen Revolution.
Waffen und persönliche Gegenstände der Guerrilleros füllen die Schaukästen, darunter das blutgetränkte Hemd Che Guevaras . Letzterer und Camilo Cienfuegos springen schließlich – lebensgroß – aus einem Dickicht hervor….beide aus Wachs…

Das Taxi für Wim und Trudi ist da. Sie werden zum Flughafen von Varadero, ca. 100km östlich von Havanna, gebracht und wir versuchen mit dem Touristenbus in die Marina Hemmingway zu gelangen. Auf der „Plaza de la Revolucion“ bekommen wir keinen Anschluss mehr und müssen – unweigerlich – in praller Sonne stehend – diesen Riesenplatz (für 1,5 Mill. Menschen) betrachten. Die allgegenwärtige, kubanische Heldenverehrung hier als Gigantismus. Nationalheld José Marti in der Mitte des Platzes als riesiges Memorial. Dahinter ein gewaltiger (105m) Obelisk, in dem das Leben und Wirken des kubanischen Dichters, Juristen und Unabhängigkeitskämpfers erklärt wird und an der Fassade der gegenüber liegenden Ministerien die stilisierten Konterfeis Che Guevaras und Fidel Castros mit dem Revolutionsmotto: „Hasta la victoria siempre“…

Das reicht für heute. Vom Taxi lassen wir uns in das „Hotel National de Cuba“ bringen.

Auch hier nagt der Zahn der Zeit am – einst von gediegenem Kolonialdesign umschmeichelten – Hotel, in dem die Großen der Revolution gewohnt haben und ihre Versammlungen abhielten. Auf der großzügigen Terrasse mit Meerblick schlürfen wir – wie einst Che und Fidel es taten – einen leckeren Mojito…

Das Highlight des Tages ist der Besuch des „Cabaret Tropicana“. Unsere Pensionswirtin hat Karten für uns reservieren lassen und das Taxi setzt uns 90min. vor Beginn der Show ab. Die große, runde Freilichtbühne liegt – abgesenkt – in einer Art tropischen Dschungels und wir sitzen buchstäblich mit der Nase dran. Ein Feuerwerk an Rhythmus, Musik, Tanz und Akrobatik explodiert förmlich auf der großen Bühne, während auf höher gelegenen Seitenpodesten einzelne Tänzer ihre Performance darbieten. Man kann sich nicht auf eine Blickrichtung festlegen…Bis zu 50 Fußpaare, die sich absolut gleichzeitig vom Boden lösen und ihn wieder berühren, hochfliegende Beine und Rüschenröcke, die die unglaublich wohlgeformten Körper und Beine der Tänzerinnen zur Geltung bringen, Tänzer wie aus einem Body-Art-Studio präsentieren Folkloristisches, Akrobatisches und Kulturgeschichtliches, in einer Anmut, Kraft und Ästhetik, die Ihresgleichen sucht.
Solistinnen mit raumfüllender, ausdrucksstarker Stimmen durchschreiten die Bühne, musikalisch begleitet vom Orchester des Cabarets.
Die Show zieht uns in ihren Bann und als der finale Auftritt des gesamten Ensembles beginnt, können wir nicht fassen, dass bereits fast drei Stunden vergangen sind.
Wir lassen uns – ohne körperliche Anstrengungen – aber mit schönen Bildern im Kopf vom Taxi zu unserer Casa bringen, schauen uns am nächsten Tag noch das Museum der schönen Künste an und werden anschließend von „unserem“ Taxifahrer zurück gebracht nach Cienfuegos…