20150217 Carneval in Santa Cruz de Tenerife

Mit offenem Mund bestaunen wir das Ergebnis der Monate-langen Vorbereitungen auf das größte Fest im Jahreskalender von Santa Cruz.
Zu Recht setzt man den „Corso“ dieser Stadt auf Platz 2
– nach Brasilien – der größten und schönsten Umzüge dieser Welt.
200.000 Zuschauer sind gekommen, um dieses Veranstaltungs-Highlight mit zu erleben.
7.500 Stühle säumen die Straßen für „den Platz in der ersten Reihe“.
Wir stehen leider in der 4. oder 5. Reihe und müssen es der Kamera am hochgereckten Arm überlassen, welchen Schnappschuss sie nimmt. Von den prunkvollen ersten drei Wagen erwischt sie hier den Zipfel eines Federbusches, dort ein paar filigrane Blütenblätter aus Tüll oder die glitzernden Schuppen eines vorgebeugten Drachenhalses.

Eine halbe Stunde und etliche Seitenwechsel dauert es, bis wir uns einen Platz erobert haben, der – durch geduldetes Vordrängen – das Fotografieren über die Stuhlreihe hinweg möglich macht.

Der brasilianische Karnevalszug mag eventuell etwas dichter sein oder mehr Wagen aufzuweisen haben; aber was die Fantasie und die perfekte Gestaltung der prunkvollen Wagen und Kostüme betrifft, steht ihm der Corso von Santa Cruz de Tenerife sicherlich in nichts nach.
Wir haben den Eindruck, dass – abgesehen von Steinalten, Schwachen und Kranken – ganz Santa Cruz beteiligt ist. Ballett-, Rollschuh-,Turn-, Tanz-, Samba- und Seniorengruppen schwingen und tanzen zu den heißen Rhythmen der Trommler und Musikvereine durch die Straßen.
Das erste Drittel des Zuges wird angeführt von der Karnevalsprinzessin, die in einem langen Auswahlverfahren der Art TNTM (Teneriffas next Top Model) auserkoren wurde, das zweite Drittel von der Kinderprinzessin und das letzte von der Prinzessin der Senioren.

Manche Kostüme wiegen bis zu 60kg, andere veranlassen ihre Trägerin, den behindernden Kopfputz abzusetzen, um den fast hüllenlosen Astralkörper in der beheizten Fahrerkabine des Zugfahrzeuges aufzuwärmen.

Aber das Schönste am ganzen Zug ist das, was wir am darauffolgenden Samstag beim Straßenkarneval wieder beobachten können: die unbändige Freude und Begeisterung, die von jedem einzelnen Kostümträger ausgeht…

20150213 Freitag, der 13.

Abergläubisch sind wir nicht. Also fällt mir dieses Datum erst auf, als ich mit dem Logbucheintrag beginne.

Pünktlich um 9.00h legen wir ab Richtung Teneriffa, da wir dort – in der nächsten Woche – Besuch von unseren Freunden erwarten.

Nur: weit kommen wir nicht. Genau genommen bis zur Mitte des Hafenbeckens, als Peter ruft: „Keine Ruderwirkung“, um gleich darauf festzustellen, dass die Ruder sehr wohl reagieren, allerdings falsch herum, d.h. beim Einschlag nach rechts fährt die PIA nach links und vice-versa.
Enttäuschung liest jeder im Gesicht des anderen. Was ist denn das schon wieder?
(Rückblick: Seit der Fahrt von Las Palmas nach Lanzarote erweist sich das Rudergestänge als penetrantes Problem. Die Kardangelenke rutschen bei starker Belastung durch und verhindern eine exakte Steuerung. Die Lösung des Problems – vor der Überquerung des Atlantiks – ist unerlässlich. Ersatzteile von Lewmar sind in absehbarer Zeit nicht zu beschaffen. Unser Freund Frank hat die Lösung: Verschweißen von Kardan und Welle und – um die Wellen wieder montieren zu können – das Einschweißen eines Doppelflansches. Die Schweiß- und Schlosserarbeiten führt José Luis aus, den Ein- und Ausbau Frank und Peter.)

Viermal haben Peter und Frank das Rudergestänge aus- und wieder eingebaut, weil falsch zusammengeschweißt, die Schweißnähte nicht gut, die Bohrungen in den Flanscenh nicht übereinstimmend oder anderes von Übel war.
Die einzig mögliche Reaktion heißt nun: Zurück an den Liegeplatz, was zum Glück beim Catamaran mit Motorsteuerung und feststehenden Ruderblättern geschehen kann.
Franks eben noch fröhlich geschwenkter Winkearm erstarrt in der Luft. Noch ehe wir wieder am Liegeplatz sind, wo Delia und Nico – total verdutzt – die Leinen annehmen, die sie erst vor fünf Minuten gelöst hatten, steht Frank am Steg. Mit einem Satz ist er an Bord und man sieht förmlich den analytischen Rauch aus zwei Ingenieurshirnen aufsteigen.
Es dauert nicht lange, bis der Fehler gefunden ist. Das Winkelgetriebe wurde falsch herum angeschraubt.
Von der Zuschauerbank aus sehen Brigitte und ich zum 5. Mal:
Tollkühne Männer in ihren segelnden Kisten…

Nach drei Stunden, vielen Schweißperlen, einem angeschnittenen Finger, aus- und wieder eingeräumten Backskisten legen wir zum zweiten Mal ab.
Im großen Vorhafen setzen wir das Großsegel. Ganz gegen unsere Prämisse, das Segel von Hand über die Winsch zu setzen, nehmen wir die elektrische Ankerwinsch. Die hört sich ein wenig gequält an aber niemand von uns bemerkt den Grund. Erst 30min. später, als Wind und Welle ziemlich ruppig werden und wir beschließen, ein Reff einzudrehen, sehen wir das Desaster. Die Bergeleine des Segelkopfes hat sich hinter einem Mastrutscher verhakt, der sich mitsamt Leine in der Schiene verklemmt hat. So reißt die kraftvolle Ankerwinsch das Segel – oberhalb des Mastrutschers – vom Vorliek. Zum Glück lässt sich das Großsegel noch bergen, sodass wir mit der Genua – zwar nicht in Rekordgeschwindigkeit – aber immerhin um 21.00h in den Hafen von San Miguel einlaufen.

Hier schließt sich der Kreis. Von hier aus wollten wir vor vierzehn Monaten die Reise über den Atlantik antreten. Aber der Blitzeinschlag zwang uns zum Plan B, dem wir – abgesehen vom viermonatigen Streit mit der Yachtversicherung ESA – sehr viel Schönes abgewinnen konnten. Ohne ihn hätten wir weder unsere Lieblingsinsel Lanzarote, noch Fuerteventura, noch La Graciosa gesehen und sehr viele tolle und interessante Menschen wahrscheinlich niemals kennen gelernt.