20190801 Niagara – Welland Canal – Lake Erie

Zwei Tage Zeit haben unsere beiden Gäste, um Toronto im Turbodurchgang anzuschauen und sich an Bord einzuleben. Dann verlassen wir den freundlichen TMCC und los geht’s in Richtung Niagara.

Ciao Toronto

Für Alex ist es der erste Aufenthalt auf einem Segelboot, was den Wettergott veranlasst, uns den passenden „Anfängerwind“ zu schicken.

So erreichen wir nach nur vier Stunden angenehmen Segelns bereits die Einfahrt in den Niagara Fluss. Von hier aus wollen wir die Niagara Fälle besuchen. Leider gibt es auf kanadischer Seite weder einen passenden Ankerplatz noch eine Marina, in die die PIA hinein passen würde. So bleibt uns nichts anderes übrig, als uns vor die erste Schleuse des Welland Kanals zu legen, den wir passieren müssen, um in den Lake Erie zu gelangen.

Gesagt – getan. Ein Schild unmittelbar neben uns weist darauf hin, dass man hier nur anlegen darf, um auf das Öffnen der Schleuse zu warten und nicht über Nacht. Hm! Was nun?

Zum Glück hat ein uns wohlgesinnter Dockmaster noch Dienst. Der gestattet uns, die Nacht zu bleiben und gibt uns die wertvolle Information, dass wir erstens – um die Ecke – in St. Catherines ankern können, um von dort aus Niagara zu besichtigen und desweiteren erst nach dem Wochenende den Wellandkanal durchfahren sollten, da gerade Kanalfest sei und in Colborne, am anderen Ende des Kanals, nirgendwo ein Liegeplatz für die PIA zu bekommen sei.

Der Tipp ist prima!  Unser Anker fällt am nächsten Morgen direkt vor dem kleinen Leuchtturm der Landzunge, unweit der Marina von St. Catherines, in der wir – gegen eine Gebühr von 17 CAD – unser Dinghi anbinden dürfen.   Mit „Uber“ nach Niagara on the Lake ist’s nur ein Katzensprung.

Das historische Städtchen, wohlhabend, mit schön restaurierten Häusern, baumbestandenen Straßen, grünen Parks, könnte – was Blumenschmuck und Blütenpracht betrifft – wohl Dauersieger sein  beim Wettbewerb: „Unser Dorf soll schöner werden“…

Eine historische Apotheke, ein sehr gut bestückter Weinladen mit den Gewächsen der Region (die vor allem berühmt ist wegen ihres Eisweins) und etliche, historisch altertümliche Boutiquen mit dem, was Touristen lieben.

Die „Niagara Falls“

Es ist Samstag! Das Taxi benötigt mehr als eine Stunde mit  „Stop and Go“, um uns am Rande des Getümmels von Niagara abzusetzen.

Menschenmassen schieben sich durch Clifton Hill und Lundy’s Lane, zwei Straßen, die an einen kitschigen Vergnügungspark erinnern. Schäbige Hotels, ein Sumpf von Spielcasinos, Bars, Breweries und Touristenfallen reihen sich aneinander und wirken mit marktschreierischer  Werbung gehörschädigend. Wir schlängeln uns durch bis zum Flussufer, können einen ersten Blick auf die amerikanischen Fälle, die „Bridal Veil Falls“ werfen und schauen zu, wie sich 700  rot bemäntelte Touristen, auf die „Hornblower“ (die kanadische Cruising Line), schieben, die bis dicht an die Wasserfälle heranfährt.

Bridal Veil Falls
Die „Hornblower“ füllt sich…

Auf amerikanischer Seite werden die „Nebelsüchtigen“ auf der „Maid of the Mist“ in blauen Regenschutz gehüllt.

Großartig!!! Die Niagara  Horseshoe Falls

Ein unaufhaltsamer Strom brausenden Wassers (Eine Million Badewannenfüllungen pro Sekunde!!!) rauscht mit donnernder Gewalt über einen hufeisenförmigen Felsabbruch in die Tiefe. Die beim Aufschlag hoch aufsteigenden Gischtschwaden kann man schon von weitem sehen. Wie Spielzeuge werden die beiden Cruisingboote auf und ab bewegt, von Strudeln gedreht und teilweise vom Wassernebel verschlungen. Ein faszinierendes Schauspiel sogar mit Regenbogen!

Die Horseshoe Falls….
etwa 100m vor der Abbruchkante…
Donnernde Flut..

Wir entscheiden uns für den „White Water Walk“ und entfliehen damit dem größten Touristenrummel. Wenige Kilometer flussabwärts gelangt man über Aufzug und Tunnel an den o.g. schattig-kühlen Holzpfad, der herrliche Blicke auf den tosenden Fluss mit seinen Stromschnellen bietet. Die Annäherung an dieses wilde Wasser – zwecks Fotos – fällt ziemlich respektvoll aus.

Weiß aufgeschäumtes Wasser am White Water Walk..
Da möchte man nicht versehentlich hinein geraten!!!

Für alles und jedes muss man ein Ticket lösen mit Besichtigungstermin  und Zeitspanne. Wir melden uns für den letztmöglichen Besichtigungstermin zur „Journey behind the Falls“ an und warten um  20.20h – in gelbe Capes gehüllt – auf den Einlass in die Stollen, die an ihrem Ende einen Blick von der Seite auf die Fälle gewähren.

Ein kalter Hauch weht uns bereits hier entgegen…
Am Ende des oberen Tunnels…

Es ist ein großartiges, beeindruckendes, nasses Vergnügen. Am Ende des Stollens schießt das Wasser direkt vor unserer Nase in die Tiefe und bedenkt allzu Neugierige mit ordentlichen Wassersalven.

Gebührenden Abstand wahrt man wie von selbst!!!


Der untere Stollen mündet in eine Terrasse, die sich etwa auf halber Höhe des Wasserfalls befindet und dem Zuschauer das Hautnah-Erlebnis bietet. Donnerndes Getöse der herabstürzenden Wassermassen, Wind- und Wasserwirbel, die die gelben Umhänge aufplustern und das Gefühl geben, im Sturm unter der Schwalldusche zu stehen (dem Hardcore Segeln nicht unähnlich!!!) Dazu eine dramatische Beleuchtung, die das Ganze farblich in Szene setzt. Man mag es eventuell kitschig finden aber so mittendrin zu sein, das hat was!

Die Terrasse am Ende des unteren Tunnels…
…mit Blick auf die Öffnung des oberen Tunnels (kleiner gelber Fleck)
Nächtliche Beleuchtung in allen Farbschattierungen..

Zum Abschluss des Tages gibt’s noch ein Feuerwerk. Danach ziehen die Menschenmassen ab.

Der letzte Tag ist dem Weingebiet Niagara gewidmet. Wir staunen nicht schlecht über ausgedehnte Apfel-  und Pfirsich-Plantagen und riesige Weinfelder (keine Weinberge!!!) in einem Land, in dem zwischen Januar und März tiefster Winter herrscht und selbst die Seen bis in den April oft zugefroren sind. Aber die Niagara Schichtstufe macht’s offensichtlich möglich. Zusammen mit dem Lake Ontario hat diese besondere geologische Formation wohl ein Mikroklima geschaffen, das Wachstumsbedingungen hervorruft, die denen im Burgund gleichen.

Exportschlager ist der Eiswein, der hier in jedem Weingut (und davon gibt es viele) entlang des „Niagara Wine Trail“ verkostet werden kann. Wir testen auf unserer Fahrradtour – an einem heißen Sonntag  – eine herrlich erfrischende Eiswein Bowle…(Rezept???) im deutschstämmigen Weingut „Reif“

Im Weingut Reif…
Weingut Peller…
Auf der „Barrel House Grill“ Terrasse…

und ersetzen den Afternoon Tea durch Snacks und Wein im Barrel House Grill, der Terrasse des Weingutes Peller.

Der Welland Kanal

verbindet den Lake Erie mit dem Lake Ontario und ermöglicht Schiffen, die Niagarafälle zu umfahren und über eine Strecke von 42 Km mit acht Schleusenkammern den Höhenunterschied (ca.100m) zwischen den beiden Seen zu überwinden.

… und wir befinden uns bereits seit gestern Abend hier, haben die Schleusengebühren von 200 USD entrichtet und warten auf das Öffnen der Tore…

Am Montagmorgen, dem 5. August fahren wir – von Port Weller aus – in die erste Schleusenkammer.

Es geht los…

Unsere „Agentin“, die uns von der ersten bis zur letzten Schleuse begleiten wird, stellt sich vor.

Unsere Agentin: Die Zierliche, die „die Zügel loslässt“…

Sie wird die Leinen an der Schleusenwand herunterlassen, mit Hilfe derer wir uns an selbiger halten können. Kurt, Alex und ich sind die „Leinenhändler“ während Peter am Steuer sitzt.

Kurt hält die Heckleine…

Einer verlässt die Schleuse, der nächste fährt hinein…
Und zwischendurch schiebt man sich aneinander vorbei..

Sehr unangenehm wird’s in der Dreifachschleuse 4/5/6, in die das Wasser Walzen-bildend von der Seite einströmt und die PIA so stark an die Wand drückt, dass die dicken Kugelfender auf Bratpfannenstärke zusammengedrückt werden. Die Motoyacht vor uns treibt quer bis unmittelbar vors Schleusentor. Dramatisch. Auch wir bekommen einen harten Knuff ans Heck.

Manche Schleusen haben eine 2. parallel liegende Schleusenkammer, in die sich Ozeanriesen in Millimeterarbeit hineinschieben, um abwärts geschleust zu werden.

Magnete????

Wir fragen uns, ob sie von solchen Magneten in Position gehalten werden…

Bei jedem Auftauchen aus der Tiefe der Schleusenkammer schauen wir auf eine enthusiastisch geschwenkte deutsche Flagge. Wir haben einen Fan. Leider verschwindet er nach der vorletzten Schleusung….

PIA Fans oder Deutschland Fans????

Erst am Abend erreichen wir Colborne am Eingang des Erie Sees und sind heilfroh zu sehen, dass nur noch die Reste des Canalfestes beseitigt werden, die Anleger aber wieder frei sind. Wir können die PIA anbinden.

Colborne, Public Pier

Die Wetterprognosen für den nächsten Tag sind nicht gerade prickelnd.

Bereits die Einfahrt in den Lake Erie sieht bewegt aus..

Wir haben starken Wind aus WSW, der unser Vorhaben,  Turkey Point auf kanadischer Seite (d.h. an der Nordküste) des Sees zu erreichen, zu einer harten Kreuz mit 30° am Wind werden lässt. Da weicht das angenehme Gefühl, auf einem Katamaran zu segeln abrupt dem, das ein ungeübter Reiter auf dem Rücken eines bockenden Rodeo-Pferdes hat. Manch ein Gesicht wird da blass und blässer… Nach vier Stunden  ändern wir den Kurs, um Dunkirk, das am (amerikanischen) Südufer liegt, zu erreichen.

Bei immer noch viel Wind und einem sich zunehmend verdüsternden Himmel lassen wir gegen 17.00h den Anker im großen, flachen Hafenbecken von Dunkirk fallen.

Das Anfangsszenario…

Wenige Minuten später zieht die Gewitterfront mit bis zu 40kn Wind über uns hinweg. Donnergrollen, starker Regen, aufgepeitschtes Wasser verursachen ziemlich viel Lärm, die Sicht ist eingeschränkt…

Der Anker hält nicht. Peter versucht, mit den Maschinen gegen zu halten. Dann zwei Schläge, die sich anhören, als hätten wir Felsberührung!!

Zum Glück nicht! Nacheinander sind die beiden Hahnepot-Leinen mit lautem Knall gerissen. Ein weiterer Knall und die Stb.-Lazy Jacks mitsamt Lazy Bag und Metallhalterung schlagen aufs Deck. Sie haben dem starken Hin- und Herschwingen des Baumes nicht stand gehalten…Wir müssen hier weg. Kurt und ich holen den Anker hoch, während Peter die PIA steuert.

Mitten im Chaos  taucht die Hafenbehörde auf und fragt – gegen den Wind brüllend – und über Funk, ob sie helfen könne. Peter fragt nach, ob wir – ohne einklariert zu haben – am Public Pier festmachen können. Ja, wir dürfen, schauen den abziehenden Wolken hinterher

und liegen eine Stunde später – als alles so aussieht, als habe es nie ein solches Unwetter gegeben an der blitzeneuen Spundwand von Dunkirk.

Peter kann telefonisch einklarieren und alles ist paletti. Schon am frühen Morgen beginnen die  Vervollständigungsarbeiten an der Pier. Elektrokabel werden in die Laternen der Pier eingeführt, Lampen eingeschraubt, lange Bügel für das Aufnehmen von Blumenampeln angebracht…Ein herrlich sonniger, ruhiger Tag!

An der Spundwand mit tückischer, scharfkantiger Leiter…
Einladend…

Man weist uns darauf hin, dass es abends am Harbourwalk ein Fest mit Life Musik geben soll. Da wollen wir dabei sein. Auf der großen Wiese sitzen nicht allzu viele Zuhörer und die Buden, am Rande des Geschehens haben nichts zu bieten, was nach Gaumenschmaus aussähe. So entschließe ich mich, auf die PIA zurück zu gehen und ein Abendessen vorzubereiten. Dazu soll es nicht mehr kommen.

Abendstimmung

Ich will die schöne Stimmung einfangen, die unmittelbar nach dem Sonnenuntergang da ist, halte mein Handy in der rechten Hand, in der linken eine Dose Bier und werde von hinten angesprochen auf unser schönes Schiff. Meine Antwort fällt kurz aus, da ich ja anderes vorhabe…ich drehe mich um, stolpere über irgendetwas, stürze zu Boden und sehe gerade noch im Augenwinkel, wie etwas Schwarzes im Bogen ins Wasser springt.  Die beiden Personen sind sofort zur Stelle, fragen, ob ich mich verletzt habe, ob sie Hilfe holen sollen und stellen fest, dass meine Nase blutet und dass es mein Handy war, das beim Aufschlag aus der Hülle ins Wasser katapultiert wurde. Trauer!!!

 …nicht um die total verkratzte Brille, die lädierte Nase, die schmerzende Kniescheibe, die aufgeschürften Handgelenke…Nein, es ist das Handy mit den nicht gespeicherten Fotos der letzten sechs Wochen, das nun unwiederbringlich auf dem Grunde des Erie Sees liegt.

Das Abendessen sieht heute spartanisch aus. Wir gehen ins Bett und… können nicht schlafen, da der Wind massiv zunimmt. Die PIA wird – durch die Ruckdämpfer in den Festmacher Leinen – halbwegs abgefedert aber mit viel Wucht und unter lautem Knarzen und Quietschen abwechselnd in die Vor- oder Achterleine gedrückt. Die Fender – eingeklemmt zwischen Bord- und Spundwand – ächzen schrecklich laut und wir hoffen, dass sie nicht nach oben herausrutschen oder gar platzen, um den scharfen Kanten der Spundwand nicht ausgesetzt zu sein.

An Schlaf ist nicht zu denken. Die Geräusche werden unerträglich, Wind und Welle nehmen erbarmungslos zu. Wir wecken Kurt, der sofort zur Stelle ist. Leinen lösen! Mit voller Kraft rückwärts schafft Peter es, die PIA von der Pier weg zu manövrieren.

Draußen steht üble Welle. Sie klatscht an die Seite und mit der Gewalt eines Vorschlaghammers unter das Brückendeck. Das Geschirr im  Schrank scheint sich auf den nächsten Polterabend zu freuen. Eine Ölflasche kippt im Schrank um, fällt  auf den Schnepper, die Tür fliegt auf, die Flasche heraus, kopfüber in einen darunter stehenden Becher und 1000 Minischerben spritzen durch den Salon. Wunderbar! Die arme Alex! Erstaunlich, dass sie dieses Tohuwabohu –  im Vorschiff liegend – aushält. Kurt holt sie hoch und sie ist froh, die restliche Nacht (nach einer weiteren Salve von Stugerontropfen gegen Seekrankheit) im Salon auf dem Sofa verbringen zu können.

Endlich, um 5.18 geht die Sonne auf. Ganz allmählich wird’s ein wenig ruhiger. Ich darf schlafen gehen. Peter und Kurt managen die Segelei, während das schwache Geschlecht ruht.

Um 10.00h fällt der Anker in der idyllischen Misery Bay im „Presque Isle State Park“ vor der Stadt Erie.  Frühstück! Danach nehmen die Männer eine Mütze Schlaf, bevor wir am Nachmittag noch einmal Ankerauf gehen, um uns für die nächsten drei Tage in den nordwestlichen Bereich der  „Presque Isle Bay“ zu legen.

Einfahrt in die Presque Isle Bay…
Und – schwupps – sind die Unbillen der Nacht vergessen…

Eine Fahrradtour durch das Naturschutzgebiet Presque Isle…

Sonnenanbeter…
Strandläufer..
ohne Worte
Drachen fliegen…
Biotope…
Paddeln…
Auch die Presque Isle ist vom hohen Wasserstend betroffen…

Den letzten Tag verbringen wir – radelnd – auf dieser hübschen Naturschutzinsel. Dann holt Peter das Mietauto ab, mit dem er die beiden am nächsten Morgen zum Flughafen nach Buffalo bringen wird und ich winke ihnen – nach dem Dinghi Transfer (morgens um 5.00h!!) ein letztes Mal hinterher.

Unglaublich, wie schnell die vierzehn Tage verflogen sind!

Schön war’s!