20150715 Eine Geschichte von Zoll und Immigration

Lieschen Müller mag sich vorstellen, dass die Karibik ein Meer sei mit wunderschönen Inseln, die alle in einer Art Karibischer Föderation zusammen gehören und von Segelschiffen problemlos angelaufen werden können…

Da irrt Lieschen sich ziemlich.

Nicht jede Insel hat eine eigene Regierung mit allem was dazu gehört – manche haben sich auch zu einer Gruppe zusammengeschlossen (und da sollte man tunlichst wissen, wer zu wem gehört) – aber alle Karibikstaaten legen allergrößten Wert auf ihre Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und Autorität.

So muss man vor dem Betreten eines Inselstaates einklarieren und unmittelbar vor dem Verlassen der Staatsgrenzen wieder ausklarieren. Man setzt also vor dem Einlaufen in den Hafen die Gastlandflagge und zusätzlich eine gelbe Flagge, die besagt, dass man einklarieren möchte. Danach marschiert man los mit Bootspapieren, Crewliste (beziehungsweise allen Crewmitgliedern in persona), Reisepässen und den Ausklarierungspapieren des zuletzt besuchten Staates.

In einschlägigen Führern ist beschrieben, wo man die Immigrationsbehörde und den Zoll findet und wie die Arbeitszeiten dieser Behörden sind. In der Regel arbeitet man hier zwischen 8.00h und 16.00h, bzw. 18.00h. Kommt man außerhalb der üblichen Öffnungszeiten, zahlt man „Overtime“, sozusagen Überstunden. Das „Zuspätkommen“ wird geahndet mit 40,00 – 60,00 US-Dollar.

Paradebeispiel: TRINIDAD

Wir machen um Punkt 18.00h am Zollstaiger fest, stürzen uns ins vorschriftsmäßige Gewand, d.h. keine Flip-Flops, keine Shorts, keine Miniröcke, keine Spaghettiträger, keine Muscle-Shirts, nichts Rücken- oder Bauchfreies, keine Kappen… , hetzen die Treppen hinauf zur Immigration und finden die Tür – wie erwartet – verschlossen.
Aber die Zollformalitäten sind möglich. Erhitzt und verschwitzt wie wir sind, geht’s ins tiefgekühlte Zollkabuff.
Drei Zollbeamte hintereinander sitzend, jeweils durch eine halbhohe Schrankwand voneinander getrennt, lassen sich von zwei Fernsehern und einem Radio beschallen.

Nr. 1 weist gebieterisch auf das Schalterfenster. Hierher! Peter nestelt die geforderten Papiere heraus.
„Murmel, murmel…“ „Pardon, Sir, we didn’t understand…“ „Murmel, murmel“… wir können rein akustisch kein Wort verstehen, da die beiden Fernseher und das Radio in unverminderter Lautstärke weiterdröhnen.

Nr. 2 wiegt sich im Takt des Songs und summt die Melodie mit.

Peter reicht die Bootspapiere über die Theke. Strafender Blick sagt: Falsch!!! Natürlich sollen es zuerst die Ausreisepapiere sein.

Nr.3 lugt hinter der Schrankwand hervor und zieht die Augenbrauen hoch.

Nr. 1 – Wann sind Sie ausgereist? Zu welcher Uhrzeit? Aha! – Zwei Formulare werden durch die kreisrunde Öffnung der vergilbten Plexiglas-Scheibe geschoben. – Ausfüllen!
Die Füße sind bereits eiskalt, den Rücken wärme ich mit den Händen auf und ab reibend, während Peter die Formulare ausfüllt.
Danach wird jedes Wort akribisch kontrolliert. Es wird gestrichen, erneut hingeschoben, zum Korrigieren aufgefordert.
Nach einer halben Stunde ist es endlich soweit.
Die Ausklarierungspapiere von Grenada behält er ein, händigt die neuen Papiere aus und verlangt 220 TT (d.h. Trinidad-Tobago-Dollar)
– Können wir auch in US-Dollar zahlen? –
– Nein –
– Gibt es einen Geldautomaten hier? – Ein diffuser Fingerzeig nach draußen folgt.
Ein Geistesblitz lässt uns fragen: – Können Sie eventuell wechseln?

Nr. 1: – Nein –

Plötzlich springt Nr.2 auf: – Ja, ich kann wechseln. –

Er macht ein kleines Geschäft, wir sind mit 48 US-Dollar dabei und sehr froh, den Eiskeller endlich verlassen zu können.

Eine Frage noch: – Dürfen wir bis morgen früh am Zollstaiger liegen bleiben?-
– Am Zollstaiger darf niemand liegen. –

Was nun? Das ausgewiesene Ankerfeld ist belegt und eine freie Boje gibt es auch nicht mehr.

Am Außensteg der „Crews-Inn-Marina“ ist noch ein Platz frei. Leider mit vielen Pollern zur Wasserseite hin. Dennoch nehmen wir das umständliche Anbinden mit Fenderbrettern in Kauf.
Ich fange an zu kochen während Peter noch „kurz“ den Müll wegbringt. Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellt. Denn der Wachmann, den er nach dem Standort der Müllcontainer fragt, erklärt ihm gleich, dass wir – ohne einklariert zu haben – überhaupt und absolut nirgendwo festmachen dürfen. Peter will sich nicht einfach wegschicken lassen, es gibt eine längere Diskussion, bis der Wachmann schließlich telefonisch eine Autorität der Immigration erreicht, die uns für 100 US-Dollar doch das Liegen am Zollstaiger gestattet mit der Auflage, am nächsten Morgen um 7.00h bei der Immigration vorzusprechen. Also: Losbinden und zurück an den heiligen Zollstaiger.

Donnerstagmorgen, 7.00h, Immigration

Am Ende des Treppenaufgangs eine Informationstafel mit der Kleiderordnung…

Anklopfen, eintreten. Diesmal ist es eine Beamtin, die uns blitzschnell gescannt hat und uns durch entsprechende Blicke zu verstehen gibt, dass wir mit unseren Flip-Flops massiv die Kleiderordnung verletzt haben. Da hilft auch Peters üblicher, freundlicher Smalltalk nichts. Versaut ist versaut.

– Ausreisepapiere!!!-

– Die haben wir beim Zoll abgegeben. –
– Die brauche ich. Holen oder eine Kopie beschaffen! –

Einer soll die Papiere holen, der andere die Einreiseformulare ausfüllen.
Peter füllt drei ellenlange, gleiche Formulare aus, um hinterher – mit leicht süffisantem Lächeln der Dame – zu erfahren, dass es auch (wie fortschrittlich!!) Kohlepapier gegeben hätte.

Ich gehe inzwischen zur Zollbehörde.
Nr. 1 ist heute abwesend. Nr. 2 kommt summend und lächelnd an den Schalter, legt die Stirn ein wenig in Falten, als er vom Begehren der Immigrationsdame hört und …kann unsere Papiere nicht finden. Strange!!!
Wo könnte Nr. 1 die Papiere abgelegt haben? Stapel um Stapel wird durchsucht, bis ich plötzlich hinten in der Ecke Peters Unterschrift erkennen kann. Eine Kopie wird gemacht. In weiser Voraussicht, dass die gestrenge Dame der Immigration Letztere – wegen schlechter Leserlichkeit – nicht akzeptieren wird, gibt er mir das Original mit der Bitte, es später zurück zu bringen.
Bei der Immigration sind die Kontrollen im vollen Gange. Es dauert.
Dann die Rechnung. 220TT. Haben wir die nicht gestern bereits gezahlt?
– Nein – Hier ist Immigration, gestern war Zoll!
– Können wir in US-Dollar zahlen?
– Nein, unmöglich!
– Können Sie wechseln?
– Nein. Besorgen Sie sich TT-Dollar oder es gibt keine Papiere.

Nr.2, mein fröhlicher und diesmal ein breites, weißes Lächeln zeigender Helfer in der Not, wechselt mir bereitwillig auch diesmal den geforderten Betrag und wir dürfen – nach Entrichten des Obulus – endlich rechtmäßig den Boden Trinidads betreten.

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