20150401 Die Klage des Windes

Man hat’s nicht leicht, als himmlisches Element! Niemals kann man es allen recht machen!

Wehe ich zu schwach, lamentiert die Lobby regenerativer Energiegewinnung, die – in aller Bescheidenheit gesagt – gehörig von mir profitiert; wehe ich zu stark, beklagt man sich über entwurzelte Bäume, davongeflogene Dächer, zerstörte Autos, geknickte Masten…

Ganz besonders heikel sind die Segler. Zaudernd und hadernd schauen sie wochenlang in die Wetterberichte, Wellenhöhen-Vorhersagen, grübeln über die Zugrichtung der Hochs und Tiefs und welche diesbezügliche Störung sie bei der Atlantikpassage erwischen könnte.

Haben sie’s dann endlich geschafft sich los zu reißen, soll ich – bitte sehr – aus der perfekten Richtung und mit angemessener Stärke für die jeweilige Besegelung und das angepeilte Ziel wehen.

Mit Regattaseglern habe ich indes meine wahre Freude: Ich spiele mit ihnen und lasse sie meine Launen mit ständigen Segelwechseln parieren. Ein Hochgenuss für mich, diese durchtrainierten Kerle schwitzen zu sehen, und obendrein ein interessantes – wenngleich manchmal nicht ganz faires – Kräftemessen.

Anspruchsvoll und fordernd indes sind diese Grauen Panther: Meist als Paar unterwegs, weit jenseits des Alters, in dem der Mensch vor Kraft strotzt, treten sie eine Segelreise über den Atlantik an.

Wochenlang (manche sogar monatelang!!!) machen sie sich Gedanken über die geeignete Besegelung. Für alle Eventualitäten sind sie ausgerüstet – wie Regatta-Segler!!! – aber in Wirklichkeit wollen sie die Segel gar nicht wechseln. Sie gehen selbstredend davon aus, dass ich mich in Stärke und Richtung ihrer Segelwahl und dem angepeilten Ziel anpasse.

Nehmen wir als Beispiel den Catamaran PIA. Seine Besatzung – zwei Vertreter letztgenannter Spezies – hat sich getraut. Die Beiden wünschen sich bis kurz vor den Capverden meine Nord-Ost-Variante und von dort aus den Passat, d.h. die reine Ostwind-Variante, die ihr Schiff (mit Passatbesegelung) flott und komfortabel (d.h. Windstärke 5 – 6 und gemäßigten Wellen) in die Karibik pusten soll.

Ich erfülle ihren Wunsch, sie sind berauscht von der Geschwindigkeit und… ? Was machen sie…? Sie biegen ab auf die Capverden.

Nach acht Tagen Pause dort, erwarten sie – selbstredend – die Fortsetzung des Programms.

Einen Tag lang lasse ich sie davon rauschen, glaube aber, dass ihnen ein wenig Entschleunigung gut täte. Ich drossele also mein Tempo und ändere auch ein wenig die Richtung (was ihnen so gar nicht gefällt) und kann beobachten, wie sie ständig auf das Log schielen, das die Fahrt durchs Wasser anzeigt sowie die voraus berechnete Ankunftszeit auf Guadeloupe.

Die Skipperin verdreht die Augen, wenn sie 2,9kn, oder max. 3,9kn (d.h. 5,3 km/Std. oder 7,2km/Std) abliest mit der voraussichtlichen Ankunftszeit in 15 oder 16 Tagen. Verwöhnt von den großen Etmalen der ersten Etappe, wird sie ganz ungeduldig.

Der Skipper zuppelt an den Schoten, verstellt die Spi-Bäume, fällt 30°ab – was natürlich mehr Tempo bringt aber auch die PIA vom richtigen Kurs – um sie dann später – mit geänderter Segelstellung langsam wieder auf Kurs zu bringen.

Mir scheint, ich muss ein wenig Nachsicht üben.

Sie sind einfach unerfahren was diese langen Distanzen betrifft, viel zu hektisch, zielorientiert und haben die Schönheit der Langsamkeit immer noch nicht entdeckt.

Daher werde ich Ihnen diese –mich ein wenig kränkende – Undankbarkeit gegenüber meinem absolut wohlwollenden, moderaten Verhalten verzeihen.

Mögen sie wohlbehalten und entspannt auf Guadeloupe ankommen!

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