20160313 Zwangspause – Denkpause…

Freitagmorgen (11.03.16)

Wir haben zwei Handycaps:

1. Peter ist gestern Abend von einer Biene in die Hand gestochen worden, die – trotz Stachelentfernung, Fenistil, Antihistaminikum und Kühlung – immer noch stark geschwollen ist.

2. Die Ankerkette, die wir – nach 7Wochen vor Anker – aus dem Wasser ziehen, sieht aus wie eine aufgesplissene Uralt-Trosse, steckt voller Schmodder und tausender kleiner Muscheln, die an den Kettengliedern „Fuß gefasst“ haben.

Eine Stunde Spachteln, Bürsten und Spülen: dann ist der gröbste Bewuchs beseitigt und wir können die Kette – mäßig stinkend – in den Ankerkasten winschen, um an die Tankstelle zu fahren. Dort herrscht, weil Freitag, reger Betrieb und wir müssen ein paar Warterunden drehen.

Mit vollen Tanks starten wir gegen 11.30h und haben relativ starken Gegenwind, sodass wir nur die Genua ausrollen und einen Motor zur Energiegewinnung (Wassermacher läuft) mitlaufen lassen.

Nur 15sm sind’s bis zur Petite Anse d’Arlet, in der wir das Wochenende verbringen wollen.
Etwa 1sm vor der Bucht bekommen wir Windböen von ca. 30kn auf die Nase und haben zusätzlich 2kn Gegenstrom. Peter schaltet den Stb.-Motor dazu und im gleichen Moment setzt ein durchdringender Alarmton ein. Die Stb-Maschine, die nach dem Starten bereits des öfteren Alarm gab, sich aber durch Gas geben immer wieder einfangen ließ, will sich nun nicht mehr beruhigen. Ein Blick in den Motorraum lässt uns erschrecken: Kühlflüssigkeit tropft aus dem Überlaufgefäß.
Die Batteriespannung zeigt nur noch 12,2V. Ist der Motor zu heiß geworden, die Lichtmaschine defekt? Das können wir jetzt nicht überprüfen, da es nun heißt: Ankerplatz oder Boje finden.

Ein Blick auf den Thermostat der BB-Maschine jagt uns den nächsten Schrecken ein. Temperatur: über 100°C!!!
Das Nerv-tötende Geräusch, das nur sekundenweise durch Drücken des Alarmknopfes zum Schweigen gebracht werden kann, fördert nicht gerade Gelassenheit beim Bojenmanöver mit Wind und Welle.
Natürlich schaffen wir das, fühlen uns hinterher aber auch geschafft und sitzen ein wenig stumm und enttäuscht im Cockpit herum. Die Überzeugung, mit einem bestens vorbereiteten und gewarteten Schiff los gefahren zu sein, ist dahin.

Seit Union Island sind die Motoren völlig problemlos gelaufen, haben Strom produziert und das „elektrische“ Leben an Bord zuverlässig garantiert. Was ist nun passiert???
Nein, wir haben keinen Nerv, uns heute darum zu kümmern, wollen uns keine Gedanken machen, vergessen vor lauter Trübsal die Seitenfenster zu schließen, müssen zur Strafe – nach einem heftigen Regenguss – eine Menge Wasser aus der Bilge tunken und haben kein Fünkchen Interesse an der momentan ein wenig zerzaust wirkenden Bucht (die eine auffallende Ähnlichkeit mit dem hat, was gerade in unseren Köpfen vorgeht).

Bringt ein ausgiebiger Schlaf (9Std.!!! ) neue Energie??

Neue Energie scheint am Samstagmorgen vor allen Dingen die Schwellung an Peters Hand entwickelt zu haben. Kühlung bringt ein wenig Erleichterung, das Schwimmen im ca. 28°C warmen Wasser mit anschließendem Morgenspaziergang am Strand zeigt keine Besserung bezüglich der Hand, wirkt aber deutlich gemütsaufhellend.
Nach dem Frühstück beschließen wir, eine Apotheke aufzusuchen, um nach potenteren Mitteln zu fragen. Die Apothekerin verweist uns sofort an das „Cabinet Medical“, in dem zu unserem großen Erstaunen auch am Samstag ein Allgemeinmediziner praktiziert. Peter reiht sich als Sechster in die Schlange der wartenden Patienten.

Ich habe derweil Zeit, mich ein wenig umzuschauen.

So ein schönes Fleckchen Erde oder Wasser oder beides!

Eine Bucht mit glasklarem Wasser und einem bildhübschen Örtchen, das sich an ihre grünen Hänge schmiegt. Pastellfarbene Häuser mit den typisch karibischen Blechdächern die man in allen Farbschattierungen sieht und

ein Dinghi-Anlegesteg, der geradewegs auf den Kirchplatz führt. „Besucher willkommen“ bedeutet wohl das offene Kirchenportal von „St. Henri“, einer sehr hellen und freundlich wirkenden Kirche…

‚Doppelt gemoppelt‘ frage ich mich, als mein Blick am langen, grazilen Kirchturm hochwandert und ich Kreuz und Wetterhahn erkennen kann.

Alles hier wirkt heiter und gelassen. In der Markthalle reihe ich mich für 40min. in die Warteschlange am einzigen Gemüsestand ein und werde dafür mit frischen Produkten und Tipps für deren Zubereitung (von den mit mir wartenden Hausfrauen)belohnt. Von draußen dringen die lauten Stimmen der Fischverkäufer herein. In der Bar gegenüber sitzt man- palavernd – bei Rum oder Bier und Akkras de Morue (kleine, in Bierteig ausgebackene Kabeljaustückchen)…
Mit 1kg vom gelb-blau glänzenden Mahi-Mahi in der Tasche, lasse ich mich vom Duft frisch gebackenen Brotes in die Bäckerei ziehen. Baguette paysanne mit krosser Kruste und Törtchen…
Da lacht das Herz! Genauer gesagt, meines.

Peter sieht nicht ganz so glücklich aus.
Der Allgemeinmediziner, ein junger, sympathischer Belgier, behandelt die Einstichstelle, desinfiziert sie, verschreibt ein Antibiotikum, verordnet ein dreitägiges Schwimmverbot und entlässt uns in die Zwangspause. Ein hartes Los in Anbetracht dieses herrlichen Wassers!!!

Doch zum Glück haben wir das Laufen noch nicht verlernt. Wir nutzen die Zwangspause für einen kleinen Wanderausflug – über den Berg und über Stock und Stein – in die Grande Anse d’Arlet, der weitaus größeren Schwesterbucht.

Kaffee und Kuchen dort fördern die Wundheilung…;-) 😉

Pünktlich zum Sundowner stecken unsere Füße im Sand der kleinen Bucht von Arlet und ein „Mojito“ lässt allzu angestrengte Gedanken über das weitere Vorgehen bezüglich unserer Motoren sehr viel lockerer werden.

Am Sonntag werden die Motoren in Augenschein genommen. Am heiß gewordenen BB-Motor lässt sich kein Fehler erkennen. Er schnurrt nach dem Starten wie eine Nähmaschine… Haben wir ihn lediglich mit einer zu hohen Drehzahl über eine längere Zeit überfordert oder bekommt er zu wenig kühlendes Wasser über Impeller oder Wärmetauscher?
Sicherheitshalber wechselt Peter zunächst mal den Impeller.

Die Diagnose am Stb.-Motor ist wesentlich komplizierter. Das Austreten von Kühlflüssigkeit aus dem Überlaufgefäß ist schnell abgestellt durch ein Nachziehen der Dichtungsschrauben. Bezüglich des Alarmtones können wir nur vermuten, dass es die Lichtmaschine ist, da sie nicht mehr die nötige Spannung für das Laden der Starterbatterie aufweist.
Es bleibt die Frage: Ist die Lichtmaschine kaputt oder sind es lediglich die Kohlen?

Auf jeden Fall aber bedeutet das zunächst:
Gehe zurück auf „Start“!
Aus dem „Adieu“ wird also ein „Au revoir“ Le Marin.

Vor vierzehn Tagen bereits hatten wir den Austausch der Motoren in Erwägung gezogen aber verschiedene Umstände ließen uns das Vorhaben auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Nun stellt sich erneut die Frage: Neue Motoren oder zunächst mal Reparatur oder Ersatz der defekten Teile, um weiter in Richtung Norden segeln zu können.
Hakende Getriebe fördern die Entscheidungsfindung in Richtung neuer Motoren und so tuckern wir am Montagmorgen wieder gen Süden.
In „unserer“ Bucht macht man große Augen, als wir – nach nur drei Tagen – wieder einlaufen.

Uns rauchen bald die Köpfe: Welchen Motor mit wie vielen PS sollen wir nehmen? Welcher Typ würde – ohne Änderung der Fundamente oder eines neuen Bodenausschnittes hineinpassen?
Völlig problemlos ließe sich nur die neue Generation unserer alten 28PS Motoren einbauen mit denen die PIA – im Vergleich zu anderen Katamaranen dieser Größe – völlig untermotorisiert ist.
Ein größerer Motor passt – ohne mäßige bis umfangreiche Änderungsarbeiten am Motorraum – nicht hinein.

Wir hoffen, letztendlich die richtige Wahl getroffen zu haben, indem wir uns für die „große Lösung“ entscheiden, die zwar auch die teuerste sein wird aber bei der hoffentlich keine Kompromiss-Situationen entstehen, die wir später bereuen müssten.
Der aktuelle Stand der Dinge: Es soll ein neuer Durchbruch gemacht werden für die Saildrives von zwei Yanmar-Motoren 4JH5E mit 54PS, die ihrerseits gegen die Fahrtrichtung montiert werden, um die Zugänglichkeit von allen Seiten zu garantieren…

Wie viele Sonnenuntergänge werden wir – hier – mit Blick über die Bucht von St. Anne noch erleben dürfen, bis endlich wieder neue Motoren in der PIA schnurren?

Es ist sooooo spannend!

Wir werden euch auf dem Laufenden halten!!!

Eine Antwort auf „20160313 Zwangspause – Denkpause…“

  1. wir fiebern mit liebe Dorothee, lieber Peter

    herzlichen Dank für Euren sehr interessanten
    Blogeintrag und die schönen Bilder. Ihr schafft
    es immer wieder, spannende und aufregende
    Geschichten zu „erzeugen“. Nur schöne Land-
    schaften, warmes Wasser und Sundowner am
    laufenden Band wäre ja auch langweilig. Der
    ganz normale alltägliche Wahnsinn, wie wir ihn
    bei uns erleben, begleitet Euch auch.
    Herrliche Tage und Bedrückende wechseln sich
    ab. Nur so kann man das „Glück“ erfahren.
    Der Einbau von stärkeren Motoren ist sicherlich
    richtig. 28 PS ist für den 2 CV6 sicherlich noch
    in Ordnung, aber für ein so großes Schiff!
    Auch ich habe mich für einen stärkeren Motor
    für den T3 entschieden. 85 Turbo-PS mit 1.9 ltr.
    Hubraum anstelle 50-Sauger-PS. Der Bulli wurde
    karosseriemäßig in Speyer wieder hergerichtet
    und in die Bullizentrale nach Kreiensen ( bei
    Hannover ) transportiert für den Technikeinbau.
    Dann muss ich noch den fast kompletten Innen-
    ausbau sanieren. Hoffe bis zum Juni wieder
    startklar zu sein.
    Wünsche Euch nun frohe Ostern, viel Erfolg
    mit den neuen Motoren ( vor allem beim Einbau )
    und Peter keine Schwellung mehr an der Hand!

    Liebe Grüße
    Diebri

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