20190601 Alles reine Nervensache!

Der Tag der Abreise ist gekommen. 6.00h Aufstehen, Genua anschlagen, schnelle, kleine Verproviantierung, eine letzte Maschine Wäsche waschen, Verabschiedung von den Werft- Mitarbeitern, danach Abpumpen der Fäkalientanks, Diesel und Wassertanks füllen…Abfahrt zwischen 13 und 14.00h. So der Plan…

Die Wirklichkeit funkt wieder einmal dazwischen, denn als wir uns von den Mitarbeitern verabschieden wollen, sind alle in der Pause. Zurück an der Waschmaschine treffe ich Gwen, die ganz beiläufig erwähnt, dass sie und ihr Mann 2015  den Big Loop gemacht haben. Ich bombardiere sie mit Fragen, sie ruft ihren Mann, ich den meinen und schon beugen sich vier Köpfe über die Karte: „Big Loop“. Chris erzählt begeistert, Gwen holt Visitenkarten diverser uns nützlich erscheinender Personen und schenkt uns eine Flagge der AGLCA, der Vereinigung der Freunde des Big Loop…

Die Verabschiedung von den Werft-Mitarbeitern macht ein bisschen wehmütig, vor allem bei Nick.  Rückblickend war die Zeit hier gar nicht so schlecht.

Es ist 17.00h als wir ablegen. Fäkalientanks leer, die Wassertanks voll, wir bis auf die Haut durchnässt, da das Abpumpen und Auffüllen im strömenden Regen stattfinden musste.

Nach dem großen Regen…

Weit werden wir heute nicht mehr kommen.

Nach einer Nacht vor Anker im Bohemian River geht’s morgens um 6.20h weiter. Über dem CD Canal (der die Chesapeake Bay mit dem Delaware verbindet) liegt Morgenstimmung. Die Sonne lässt das Wasser grün leuchten, würzige  Waldluft weht vom Ufer herüber und zwitschernde Vögel begleiten uns. Wir haben 5kn Strom mit und schießen mit teilweise 10kn der Mündung in den Delaware entgegen.

Herrliche Morgenfahrt auf dem CD Kanal

Zweieinhalb Stunden später haben wir sie erreicht, setzen das Großsegel und werden mit Windunterstützung und 5kn Strom der Mündung des Delaware entgegen geschoben, bis…

die Idylle urplötzlich und abrupt beendet wird. Ein lauter, anhaltender Piepton und eine blinkende Warnanzeige am Autopiloten lassen den Puls hochschnellen. Das Steuerrad wird vehement nach links gedreht, die PIA beschreibt mit 7kn. Geschwindigkeit einen Kreis; ich will die Handsteuerung aktivieren, was mir nicht gelingt; PIA setzt zum Gegenkreis an. Peter, an der Navigation sitzend, bemerkt mein Geschrei und die Kapriolen der PIA und kann den Autopiloten ausschalten.

Meine Nerven liegen blank! Ich traue mich kaum, das Steuerrad wieder in die Hand zu nehmen. Zum Glück waren weder Bojen noch andere Schiffe in unmittelbarer Nachbarschaft.

Peter behält die Ruhe. Er schaltet den Autopiloten wieder ein, der antwortet prompt mit Piepton, Warnleuchte und Kreisfahren…Wir können den Warnhinweis nicht erkennen…

Mit zittrigen Knien und Händen steuere ich von Hand während Peter den Autopiloten abklemmt, um den Ersatzsteuerautomaten anzuschließen. Nach einer Stunde ist alles erledigt und der Raymarine AP tut zuverlässig seine Arbeit. Aber der Schrecken sitzt tief. Immer wieder werfe ich misstrauische Blicke auf das Display, um mich zu vergewissern, dass alles ok ist.

Gegen 17.00h werden wir die Mündung des Delaware in den Atlantik erreichen. Der Plan, dort – in Lewes –  für die Nacht  noch einmal zu ankern wird verworfen, da der Wetterbericht sagt, dass das für den Sonntag angekündigte Tief mit  Sturmböen und viel Regen bereits am Samstag über unserem Fahrtgebiet sein soll. Also nehmen wir eine Nachtfahrt in Kauf, die wir beide ziemlich anstrengend finden, da wir sehr müde sind. Einige Boote haben kein AIS, sind auf dem Radarbild schlecht zu erkennen oder haben keine regelrechte Lichterführung, was die Identifizierung erschwert.

Die Morgendämmerung lässt auf sich warten. Um 7.00h: der nächste Schreck. Peter öffnet den Wasserhahn. Kein Wasser fließt, nur ein müdes Röcheln und Gurgeln ist zu hören. Die Tankanzeige sagt, dass der BB-Tank leer sei. Schreck lass‘ nach! Wo sind die ca. 250 Liter geblieben? Ist eine Leitung geplatzt? Gönnen wir unserem Biervorrat, den Wasserflaschen und den Ersatzteilen in der Bilge  mal wieder ein Vollbad??? Nein! Auf der BB-Seite ist alles trocken.

Heimlich und leise hat sich der gesamte Tank über den nicht ganz geschlossenen Wasserhahn im Stb.-Bad entleert. 🙁 🙁 Die „Silverline“ an der „Dark Cloud“: 350l Wasser haben nicht die Bilge der PIA geflutet, sondern das Salzwasser des  Ozeans homöopathisch verdünnt. 🙂 🙂

Endlich: Die Verazzano Bridge mitsamt der Silhouette von New York löst sich aus dem Dunst.

Wir haben  Sandy Hook erreicht, die Einfahrt in die Bucht von New York. Um 9.00h liegen wir fest an der Boje in Great Kills. Vor der wohlverdienten Mütze Schlaf wird uns das telefonische Anmelden in New York auf nette Art und Weise abgenommen. Die Custom and Boarder Protection kommt höchstpersönlich an Bord, nimmt alle Daten auf, gibt noch ein paar Tipps und verschwindet wieder.

Endlich schlafen!!!

Abends zieht es uns zur Fähre. Einmal Manhattan und zurück. Von der Boje mit dem Dinghi an Land, 500m zu Fuß zum Bahnhof, von dort mit dem Zug zur Fährstation. KOSTENLOSE Fährfahrt (das einzige Transportmittel New Yorks, das kostenfrei für alle Benutzer ist) an der Miss Liberty vorbei, mit Blick auf Manhattan nach South Manhattan und wieder zurück nach Staten Island.

Wow! Manhattan!
Einsam sieht sie aus in der stillen Dämmerung…
Bis bald! Wir kommen!

Wir sind angefixt. Da wollen wir so schnell wie möglich hin. Das erste Ziel: Ankern vor bzw. hinter Miss Liberty, Sonnenuntergang dort erleben und übernachten; dann weiter nach Port Washington (in der Manhasset Bay am Long Island Sound), um von dort NYC zu erobern…

Für die nächsten beiden Tage ist diesiges Wetter angesagt; d.h. schlechte Aussichten für ein gelungenes Sonnenuntergangserlebnis zu Füßen der Freiheitsstatue. Also heißt es: Abwarten. Wir nutzen den Sonntag zum Erkunden des Great Kills Parkes, der ein hübsches Stück Wald, die Ankerbucht und den Strand umschließt.

Aus dem Wäldchen heraustretend schlägt uns der Geruch von verwesendem Fisch entgegen. Eine Fischfabrik? Nein! Schlechte Sitten! Die grobe Steinschüttung am Ende der Ankerbucht ist übersät von verwesenden Fischköpfen und –gerippen… Der Park samt Bucht und Strand gehört am Wochenende den Latinos. Ganze Familien kommen zum Lunchen hierher,

Vorsicht Fußangeln!!!

Angler hängen schlafend in ihren Strandstühlen, während wir höllisch aufpassen müssen, nicht über die drei bis fünf ausgelegten  Angelleinen zu stolpern. Der frisch gefangene Fisch wird gepackt, mit zwei gekonnten Messerschnitten von den Filets befreit, Gerippe und Kopf weggeworfen.

Wenn das Foto auch Gerüche wiedergeben könnte…

Es stinkt zum Himmel. Nasenbeleidigend!! Trotz flotten Schrittes benötigen wir 3 Stunden, um wieder auf der „wohlriechenden“ PIA anzukommen.

Noch mindestens 3 km bis zur PIA auf der anderen Seite der Bucht…

Abends laufen Karin und Michael mit ihrer „Via Nostra“ ein. Die deutsche Flagge am Heck lockt uns an. Sie haben einen anderen Wetterbericht als wir und gehen davon aus, dass der Montag der geeignete Tag für das Ankern hinter Miss Liberty ist.

Mit dem Versprechen, uns in Port Washington auf einen Schnack zu treffen gehen wir auseinander und erleben am Montag Miss Liberty bei Nacht: Karin und Michael in der Liberty Marina, wir vor Anker…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.