20170304 KUBA

empfängt uns kühl.
Nach einer Nacht auf See, die eigentlich keine war, weil wir vom Nord-Nordostwind Wind und kurzen, knackigen Wellen durchgerüttelt wurden, geht die Sonne auf. Eine von blassen, diffusen Streifen durchzogene Morgenröte verheißt nichts Gutes.
Gegen 9.30h kommt Kuba in Sicht. Weiße Wolken schweben – wie ein ausladender Sonnenhut – über den Bergen von Kubas Mitte.
Der Wind lässt plötzlich nach und wir nutzen die Stille, um die PIA von ihrer Salzkruste zu befreien. Vergebliche Liebesmühen wie sich später herausstellen wird, da wir – bei der Einfahrt in die große Bucht von Cienfuegos – noch einmal ordentlich einen auf die Mütze kriegen.

Anlegen zum Einklarieren können wir nicht, da der Steg noch von einem deutschen Katamaran belegt ist. In die zugewiesene Alternativecke können wir uns – wegen des starken Windes – nicht hinein manövrieren. Warten….

Nach ungefähr einer Stunde dürfen wir an den Einklarierungssteg. Die Freundlichkeit der an Bord kommenden Offiziellen nimmt in Potenzschritten ab. Der Arzt, der im weißen Kittel, mit Arztkoffer unterm Arm an Bord kommt, macht noch einen relativ freundlichen Eindruck und hält uns – nach ausgiebiger Befragung – so eine Art Bolzenschussgerät vor die Stirn. Konsterniertes Zurückweichen, bis er erklärt, dass das ein Fieberthermometer sei.
Nach der weniger freundlichen Immigration, die die Pässe kontrolliert und 75,-€/Person für eine einmonatige Aufenthaltsgenehmigung (das Despacho) kassiert, kommen die Zollbeamten an Bord (mit finsterer Miene und absolut bestechungsresistent gegen Espresso und Mandelplätzchen). Sie listen alle Alkoholika und frischen Lebensmittel incl. der tiefgekühlten auf und sind damit – wegen der nur noch geringfügigen Reste – schnell fertig. Das Satellitentelefon, das bis vor Kurzem noch bei Einreise konfisziert und erst bei Ausreise wieder freigegeben wurde, wird nur noch als „vorhanden“ in die Liste eingetragen. Dann springt der Drogenhund an Bord, ein ausgesprochen schöner Jagdhund. Schnüffel, schnüffel…aber er findet – erwartungsgemäß – nichts.

Man erlaubt uns, bis zum nächsten Morgen am Einklarierungssteg liegen zu bleiben und – schwupps – finden sich die Crews der drei anderen, in der Marina liegenden, deutschen Schiffe zum Klönschnack ein. Würde man jetzt ein Foto schießen, sähe der Betrachter ein fröstelndes, im Regen stehendes Personengrüppchen mit windzerzausten Haaren, hochgezogenen Schultern, die Arme vor der Brust verschränkt. Ist das Kuba oder hat man versucht ein frühlingshaftes Nordsee-Hoch zu fotoshoppen?

Kuba scheint irgendwie anders zu sein.

Ein willkommener Nebeneffekt des Regens ist die Befreiung der PIA vom Salz.
Eine inwendige Süßwasser-Reinigung wäre m.E. nicht notwendig gewesen, wird aber unumgänglich, als wir feststellen, dass ein gerissener Wasseranschluss hinter der Duschwand zur Überflutung sämtlicher Kunststoffbehälter in der Bilge geführt hat. 100 Liter Wasser müssen aus der Bilge gepumpt werden, das Wasser aus den Kisten gekippt, die triefenden Pappkartons entfernt, Inhalte säuberlich sortiert, abgewischt und zum Trocknen aufgehängt oder ausgebreitet, neue Plastiktüten beschriftet werden…

Als die La Rossa Crew zum Sundowner kommt, sitzt sie zwischen Ersatzteilen für die Winschen, Nieten, Schrauben, Konserven oder zum Trocknen aufgehängten Stromkabeln, die die Haare kraulen.
Eigentlich der richtige Zeitpunkt für eine Inventur des Ersatzteillagers. Die verschieben wir aber auf später, da wir ja übermorgen nach Havanna wollen.

Der nächste Tag gilt Cienfuegos. Vor dem Tor der Marina wartet bereits ein Taxi auf Kundschaft. Die Konkurrenz, eine Fahrradrikscha, könnte zwei Personen mitnehmen aber wir möchten die drei Kilometer in die Stadt – an der Uferstraße entlang – zu Fuß zurücklegen.

Herrschaftliche Häuser, die vom Glanz weit zurückliegender Zeiten zeugen, haben das „Verfallsdatum“ deutlich überschritten. Unmittelbar aneinander gebaut, säumen sie die vierspurige Straße, die von einem Bäume-bestandenen Mittelstreifen geteilt wird. Im Schatten der vorgebauten Kolonnaden können wir bis zur Fußgängerzone laufen.

Ein Eiscafé zieht uns magisch an. Neugierig will ich einen Fuß hineinsetzen und werde abrupt vom ausgestreckten Arm des „Platzanweisers“ gebremst. So nicht. „Wieviele Personen?“ „Vier“ Er lässt den Blick über die etwa dreißig unbesetzten Tische dieser gefliesten „Eishalle“ schweifen und platziert uns in die Nähe von drei besetzten Tischen. Kunst an den Wänden, d.h. zu Heroischem geformte Eisenstangen, Bedienungen, denen das Gespräch unter Kollegen offensichtlich wichtiger ist als mögliche Kundschaft und desinteressiertes Werkeln hinter einer Glasscheibe rufen Erinnerungen an „Ostblock“-Zeiten hervor.

Eine dralle Matrone baut sich vor uns auf. „Refrescos“?? „No hay“. Die in der Karte angebotenen Erfrischungsgetränke gibt’s nicht. „Wir haben Eis… Punkt.“ Welches? Papaya, Erdbeer, Banane. Wir möchten alles probieren. Hüftschwingend schlurft sie davon.
Aber: das lange Warten hat sich gelohnt. Alle drei Sorten schmecken vorzüglich!

(Nebenbei bemerkt: Ein Restaurationsbetrieb ohne Toilette wäre in Deutschland unmöglich. Hier nicht. Ich werde zum nächsten, öffentlichen Gebäude geschickt, wo es in der Regel Toiletten gibt aber weder Wasser für die Spülung noch zum anschließenden Händewaschen, ganz zu schweigen von Toilettenpapier oder Seife. In besseren öffentlichen Einrichtungen gibt es eine Toilettenfrau, die gegen ein paar Pesos drei Blättchen Toilettenpapier verteilt, anschließend eine Konservendose frischen Wassers nachspült, ein Stückchen Seife reicht und wieder wegnimmt, um danach die Hände mit einer Tasse Wasser nachzuspülen). Zur diesbezüglichen Ehrenrettung: In fast allen privaten Einrichtungen gibt es mehr oder weniger ordentliche Toiletten.

In der quirligen Fußgängerzone sehen wir die nächste Menschenschlange. Was gibt’s denn da? Ah, richtig! Es ist Montag! Da gibt’s Eier. Die können wir brauchen. Trudi und ich stellen uns geduldig ans Ende der Schlange und benötigen ca. eine Viertelstunde, um einen ersten Blick auf die Eiertürme erhaschen zu können.

20Stck. dieser gigantischen Eiermenge landen für 1CUC = 1€ in einer „MITGEBRACHTEN“ Plastiktüte. Kein Eierkarton, kein schützendes Papier…Drei werden den Transport zum Schiff nicht überleben.
Am Parque Marti, der gesäumt ist von prächtigen Kolonialbauten gönnen wir uns – in einer Café-Bar unter den Kolonnaden- einen sehr kräftigen Espresso und werden dabei von einem älteren – mit allen Frauen schäkernden – Gitarrenspieler unterhalten. Tief in die Augen blickend schmettert er: „Besame, besame mucho…. Guantanamera etc. Super! So langsam kommt ein wenig Stimmung auf.

Jose`Martí, Märtyrer des Kubanischen Befreiungskampfes (von den spanischen Kolonialherren) und Volksheld Nr.1, Dichter, Philosoph und Politiker, der sich für Bildung und soziale Gerechtigkeit einsetzte, war das große Vorbild für die spätere Revolution. Sein Denkmal findet man in jedem größeren Ort.

Wir schlendern über die touristische Souveniermeile von Cienfuegos in Richtung Kreuzfahrer-Anlegestelle. Alles was man nicht braucht, wird hier angeboten. In auffallend vielen, kleinen Kunstateliers wird gemalt oder Holz geschnitzt. Niemand wirbt hier aggressiv für seine Produkte. Hat man einmal „Nein“ gesagt, wird man in Ruhe gelassen. Überall liegt Musik in der Luft. Kleine Bands, Gitarrenspieler oder Sänger geben ihr Bestes und Passanten bewegen sich dazu im Takt.

Ein Fiaker bringt uns zurück in Richtung Marina. Stopp beim „Rapido“, einem Hotspot. Hier kann man ETECSA-Karten kaufen, die – je nach Anbieter – für 1.50 – 6.00 CUC eine Stunde Internet bieten. Mir gelingt es, wenigstens die What’sApp Meldungen zu öffnen, Wim bekommt keinen Kontakt.

Es ist inzwischen 18.00h und wir gehen Essen, um beizeiten an Bord zu sein, da wir für morgen früh um 9.00h das Taxi nach Havanna gebucht haben und alle noch ein Köfferchen packen müssen. Trudi und Wim werden von dort aus nach Hause fliegen.
Es kommt anders. Trudi stolpert auf dem Heimweg, stürzt, fällt aufs Gesicht und rammt sich den Brillenbügel in die Augenbraue. Es blutet wie verrückt. An der Marina angekommen, bringt uns der Marinero gleich in die schräg gegenüber liegende Ambulanz. Aus einem Metallbehälter holt die Ärztin sterile????, in braunes Krepppapier gewickelte Tupfer, klebt eine Art Druckpolster auf und überweist uns zum Nähen ins Krankenhaus. Der tiefgekühlte Krankenwagen bringt uns in die Stadt.
Hätten wir nicht so viel Lob über das kubanische Gesundheitswesen gehört, wäre meine Skepsis gegenüber dem, was ich sehen konnte, wahrscheinlich noch sehr viel größer gewesen.
Die Ambulanz – Wände und Boden gefliest – sieht aus, als habe sie eine Granatsplitter-Attacke hinter sich. Überall fehlen kleine Ecken in den Fliesen.
Ich frage nach einer Tetanusspritze, da Trudi glaubt, dass die letzte Impfung weit mehr als 5 Jahre zurückliegt. Tetanusspritze? Haben wir nicht. Da müssen wir im Internationalen Krankenhaus nachfragen aber die haben auch keine.
Trudi wird derweil versorgt. Wunde gereinigt, umliegende Haut und Haare von Blut befreit. Lokalanästhesie. Das Nähen beginnt. Die Sterilität? Auch hier sehr gewöhnungsbedürftig.
Zwei Patientenliegen stehen kopfwärts an der gegenüberliegenden Wand, über ihnen eine rote Banderole mit der Aufschrift:
„Bevor du mich anfasst, wasche dir die Hände!“.
Uiuiui! Wer soll damit angesprochen werden?
Es geht alles gut. Medikamente für die Nachsorge haben wir an Bord. Das sollte man auf jeden Fall haben, denn die Apotheken sehen hier aus, als stünden sie unmittelbar vor dem totalen Ausverkauf.

Um 23.00h sind wir wieder zurück an Bord. Wim und Trudi müssen noch ihre Koffer für den Heimflug packen, wir für einen dreitägigen Aufenthalt in Havanna…

Eine Antwort auf „20170304 KUBA“

  1. kein Mangel an Action hallo Ihr Lieben,
    Euer Blog wird nie langweilig, selbst ohne
    großartigen Bilder schafft Ihr es, alle Erlebnisse
    und „Vorkommnisse“ sehr plastisch und spannend
    zu beschreiben. Man fühlt sich fast physisch dabei,
    und man müsste nicht alles selbst erleben.
    Habt weiter eine gute Zeit und passt auf Euch auf.

    Herzliche Grüße
    Diebri

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