20160518 Drei Wochen im Hausboot „Werftblick“

Wert und Wertschätzung einer Immobilie steigen und fallen mit der Lage. Das gilt auch für ein Hausboot, das zwar nicht immobil ist, da es von A nach B bewegt werden kann aber die Lage ist auch hier entscheidend.
So offenbart sich bereits im Namen unseres mobilen Zuhauses „PIA-Werftblick“ die ausgefallene Schönheit und Attraktivität unseres momentanen Liegeplatzes.

Unser Domizil, das wir ab dem 22.April für die kommenden drei Wochen bewohnen werden, entpuppt sich als der Schwarm aller Mücken; leider mit fatalen Folgen für die „Umschwärmten“.
Die kleinen Biester zeigen uns aufdringlich, dass sie uns zum Fressen gern haben, wobei wir auf derartige Liebesbeweise gerne verzichtet hätten. Matt und elend liegen wir da… infiziert mit Zika, d.h. mit hohen Fieberschüben, Abgeschlagenheit, dem typischen, stellenweise juckenden Hautausschlag, Gliederschmerzen und –schwellungen.
Kuschelwarme Temperaturen von 30 – 35°C und wenig Wind wirken nicht unbedingt Fieber-, dafür aber stark Laune-senkend. Die hereinbrechende Dunkelheit bringt nur langsam Abkühlung, da der Asphaltboden nun die am Tag gespeicherte Hitze abgeben kann, regt aber vor allem das Ausschwärmen der Mücken an.
Die Ärztin, die wir konsultieren, tröstet uns mit der Aussage, dass die Zika-Infektion im Vergleich zu Chikungunya wie ein Spaziergang zu betrachten sei und dass es uns – nach gut einer Woche – wieder besser gehen werde, womit sie Recht behalten sollte.
So können wir zumindest die Wasserung der PIA mit halbwegs klarem Kopf und fieberfrei erleben.
Da wir uns der Hurricanzeit nähern, werden bereits viele Schiffe aus dem Wasser geholt und nach einem nicht erkennbaren Ordnungsprinzip auf dem Werftgelände abgestellt. Auch die Arbeitsabfolge wirkt ziemlich unökonomisch. So wundert sich manch ein Bootsinhaber, über den schwärzlichen, blauen oder roten Belag auf seinem Schiff, das er doch gestern noch blitzblank geputzt hatte. Der Grund: Antifouling-Sprühnebel wabern den ganzen Tag herum, da die Schiffe erst NACH dem Abstellen an ihrem endgültigen Lagerplatz mit dem Hochdruckreiniger gesäubert werden.

Freude verdoppelt sich bekanntlich, wenn man sie teilt, weniger Schönes lässt sich in Gesellschaft viel besser ertragen. Unsere unverhoffte Gesellschaft: Monica und Toni, die beiden Schweizer, die uns zum Flughafen brachten. Wir wähnten sie längst auf Dominica. Aber auf dem Weg dorthin, beim Ankern vor St. Pierre waren sie gedriftet und hatten sich einen Ruderschaden zugezogen. Zurückgekehrt nach Le Marin, soll die „Bona Dea“ hier aus dem Wasser geholt und repariert werden. Wir freuen uns auf die nette Nachbarschaft und mieten, mit den beiden zusammen, übers Wochenende ein Auto.

Unser Samstagsausflug: Die Halbinsel Caravelle. Sie erstreckt sich an der Ostküste, auf der Höhe von Trinité – wie ein kleiner Appendix – in den Atlantik.

Gleich zu Beginn der Wanderung ist Improvisation gefragt. Peters Schuhsohle löst sich bis zur Schuhmitte ab.

Pflaster und Band halten die Fragmente erstaunlich gut zusammen. Wir wandern auf trockenen Waldwegen

mal im Schatten,mal durch sengende Sonne hoch zum Leuchtturm,

dann an der Küste entlang, haben herrliche Ausblicke,

ein Picknick auf einem umgestürzten Baum,

ein Bad in einer stillen Lagune

und kehren abends – mit dem guten Gefühl, sich mal wieder bewegt zu haben, nach Le Marin zurück. Da kommt so ein deftiges Essen vom Grill gerade recht.

Am Sonntag erwandern wir den „Sklavenkanal“.

1770 wurde dieses Bauwerk an den teilweise schroffen Hängen eines Höhenzuges im Nordwesten der Insel mit unglaublicher Mühsal errichtet. Der Kanal fasst das Wasser einer Quelle und diente dazu, die Anbaugebiete zweier Orte, nämlich Carbet und St. Pierre zu bewässern. Wir fühlen uns augenblicklich an die „Levadas“ nach Madeira versetzt. Zur Linken steile Felswände, tropisch grün bewachsen, zur Rechten der Blick (ausschließlich für Schwindelfreie) über schroff abfallendes Dschungelgrün in schmale Täler mit vereinzelten Bauernhöfen und weidenden weiß-bunten Kühen.

Plötzlich knackende Zweige am Rand verraten Ziegen, die, urplötzlich, mit erstarrter Neugier, ihre Hälse aus dem dichten Grün recken. Es ist ein Fest für alle Sinne…

Angekommen am Tunnel, dessen Durchschreitung dem Wanderer verboten ist,

überqueren wir den Kanal, um die Mittagspause im „fernöstlich“ angehauchten „Maison Rousse“ zu verbringen.

Buddhas sitzen unter üppig blühenden Medinillas (die bei uns als Zimmerpflanzen nur bei Pflanzen-Flüsterern mehr als eine Saison überleben) plätscherndes Wasser unter Bougainvilleas,

Strelizien-Stauden all überall (sogar auf der Toilette!!!),

Meditatives aus Lautsprechern, schöne Bildbände zum Anschauen. Eine Idylle, die uns eine Weile festhält.

Nachmittags um 16.00h sind wir zum Ausgangspunkt der Wanderung zurückgekehrt.

Eine Viertelstunde später baden wir – nach einem kurzen Stopp irgendwo an der Küstenstraße – bereits im warmen Wasser der Karibik. Den Sundowner nehmen wir in St. Pierre, der alten Hauptstadt von Martinique, die bei einem Vulkanausbruch im Jahr 1902 dem Erdboden gleich gemacht wurde und in absolute Bedeutungslosigkeit verfiel.
Das verträumte Städtchen entwickelt einen ganz eigenen, besonderen Charme. Hohe, eiserne Laternen, ein wenig verbogen, heben sich vor dem Strand in der Abendsonne ab. Improvisiertes Bar-Gestühl trohnt auf den Fundamenten eines abgerissenen Pavillions, die Straßen wirken ein wenig staubig und verschlafen. Die ankernden Schiffe schwojen –völlig unorthodox – mal mit dem Bug, mal mit der Seite oder dem Heck, dem Strand zugewandt, in den Wellen und Monica mag überhaupt nicht hinsehen, da hier ja die „Ruder-Havarie“ passierte.
Wieder geht ein herrlicher Tag auf Martinique zu Ende, der Mückenplage, Antifouling-Nebel und alles Unangenehme einfach vergessen lässt.
Rückblickend betrachtet, sind die drei Wochen auf der Werft doch sehr schnell vergangen und im Gedächtnis bleiben die schönen Erinnerungen an Freunde und Bekannte, die in entscheidendem Maße dazu beitrugen, die Abende zu versüßen. Einladungen zum Essen auf die Maria Concordia, zu Ingrid und Jürgen, fernab von Mücken bei bester Laune und aufregendem „Mexican-Train-Spiel, die gemeinsamen Abende und Ausflüge nach St. Anne mit Monica und Toni, der Freitags-Stammtisch mit vielen neuen und alten Bekannten, Besuche von und bei Bernard und Sandra von der Ti Amaraa, kurze aber intensive Treffen mit „Stipp-Visitlern“ auf der Werft oder das Treffen mit Eva und Gerd von der Bear Baloo…
Summa Summarum: Ein erlebnisreiches, heißes aber interessantes Intermezzo auf unserem Interims-Hausboot „Werftblick“.

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