20151217 Grenada, die Insel der Gewürze

Am Nachmittag des 17. Dezembers laufen wir St George‘s auf Grenada an. Den von See kommenden Schiffen zeigt sich eine wunderschöne Stadtkulisse.

Keine Hauptstadt der bisher angelaufenen Inseln vermittelt einen so harmonischen Eindruck. Backsteingebäude mit roten Ziegeldächern säumen das Hafenbecken und erinnern eher an eine englische oder skandinavische Hafenstadt als an eine karibische.

Wir ankern vor St.Geoge’s und fahren abends per Dinghi in den schicken Yachtclub, um dort ein zweites Geburtstagsessen zu verspeisen. Vor dem Yachtclub liegt die „Thor Heyerdahl“, das „segelnde Klassenzimmer“. Etwa 20 junge Leute segeln und lernen hier für ein halbes Jahr…

Am nächsten Tag gibt es ein wenig Sightseeing aber am Spätnachmittag legen wir noch ab, um in die Prickly-Bay zu segeln, von wo aus Wim und Trudi die Heimreise antreten werden.

Für Samstag und Sonntag haben wir ein Auto angemietet.
Seit Tagen schwächelt die Wasserkühlung des Außenborders und wir müssen das Problem beheben lassen. Von der Marina wird ein Kubaner empfohlen, der sich mit Außenbordern gut auskennen soll und sich seiner annimmt. Also geben wir ihn ab. Das heißt von nun an: zur PIA hin und zurück rudern, was bei wenig Wind und Welle leicht ist aber wehe, es weht kräftig bei Gegenstrom.

Die erste Ruderpartie zur Übernahme des Mietautos (mit immerhin 4 Pers. an Bord)gelingt gut.
Die Vermieterin erklärt, dass eine Kasko-Versicherung nicht automatisch mit eingeschlossen sei. Wir bestehen darauf und müssen nun – im Falle eines selbstverschuldeten Unfalls nicht mehr den Gesamtschaden übernehmen, sondern „nur noch“ 500 US$.
Der Himmel ist bewölkt und es sieht nach Regen aus, als wir uns bergab und bergauf von einer Bucht zur anderen schlängeln, immer in östlicher Richtung.
Natürlich wollen wir zum „Phare Bleu“ einem alten, blauen Leuchtturm auf rotem Schiff,

in einer kleinen und wunderschön gelegenen Marina, die Frank und Brigitte (die 2x 10 Tage hier verbrachten) zu ihrem bevorzugten Alterswohnsitz deklarierten.

O-Ton Frank: Wohnen in einem kleinen, Palmen-umstandenen Appartement am Strand, den Blick über die Marina in die Bucht schweifen lassen, zum Sonnenuntergang einen „Painkiller“ der Extraklasse schlürfen …Was will man mehr???

Wir wollen oder müssen zurück in die Prickly-Bay, was abends, bei Regen, schlechter Straßenbeleuchtung, unbefestigten Seitenstreifen und schadhaften Fahrbahnbelägen nicht ganz einfach ist. Obendrein herrscht auf fast allen karibischen Inseln LINKSVERKEHR.

Kurz nach 18.00h (es ist bereits stockfinster) suchen wir – sehr, sehr langsam fahrend – die Einbiegung in die zum Hafen führende Straße. Peter hält kurz an.
Kreischende Bremsgeräusche, der Geruch verbrannten Gummis und …wenige Sekunden später kracht es…
Ein schwerer Van der Security von Grenadas Universität hat uns – von hinten kommend – wohl übersehen, konnte nicht mehr ausweichen und ist mit voller Wucht hinten rechts (wo ich saß) in unser Auto gekracht. Wir werden 1-2m nach vorne katapultiert, das Glas des Seitenfensters zersplittert und fällt mir entgegen, das Heck wird eingedrückt, die Hinterachse bricht.
Schockstille.

Jeder schaut an sich hinab, ob noch alles „dran“ ist. Ja, es ist. Außer meiner Brille, die von der Nase geflogen ist und eines kleinen blauen Fleckes am rechten Lid ist nichts Gravierendes passiert.
Wir wollen nicht darüber nachdenken, wie es ausgegangen wäre, wenn er uns 5 Sekunden später –beim Einbiegen – mit der Breitseite erwischt hätte.

Passanten springen herbei und fragen, ob sie die Polizei rufen sollen und bieten sich als Zeugen an.
Die jungen Offiziere der Security, deren Wagen mit der Beifahrerseite an eine Betonwand geschleudert wurde, steigen aus, kommen sofort zu uns und fragen, ob denn alles in Ordnung sei.
„Ist niemand verletzt? Hat jemand einen Schock erlitten, sollen wir die Ambulanz rufen?“
„Nein, danke!“ Die Ambulanz wird später den Beifahrer abholen, der sich beim Aufprall offensichtlich eine starke Schulterverletzung zugezogen hat.

Zwei Stunden dauert die Protokollaufnahme durch die Polizei mit Schilderung des Unfallherganges durch uns, den Unfallgegner, Wiederholung und Unterzeichnung des Polizei-Protokolls, Straßenmarkierung, Verhandlung mit der Autovermietung und Abschleppen unseres Fahrzeuges.

Der Polizei sollen wir am Montag noch einmal ein schriftliches Protokoll über den Unfallhergang bringen, dann wendet sie sich den Offizieren zu.
Die Autovermieterin fragt uns, ob wir denn für morgen ein Ersatzfahrzeug haben wollen. Natürlich wollen wir…

Niemand bringt uns zurück zum Hafen. Zu Fuß machen wir uns auf den Weg. An der Hafenbar nehmen wir erst mal einen kräftigen Schluck und füllen die Energiespeicher mit Pizza, um das Außenborder- lose Dinghi (von Hand) zur PIA zurück zu rudern.

Der 4. Adventssonntag,
für Wim und Trudi der letzte Ferientag, ist einer Insel-Rundfahrt vorbehalten.

Auf engen, regennassen und kurvenreichen Straßen schlängeln wir uns durch üppige Vegetation,

Regenwald, an Gewürzplantagen und kleinen Wasserfällen vorbei, beschnuppern das hiesige Wanderzentrum um den Großen Kratersee (Grand Etang) herum

und kehren, noch vor Einbruch der Dunkelheit , mit Riesenhunger zurück, weil alles, was nach Bar oder Restaurant aussah, geschlossen war. Also nehmen wir einen leckeren Snack in der Dodgy-Dock-Bar der True Blue Bay und kehren anschließend –rudernd – zurück zur PIA.

21. Dezember: Tag der Abreise unserer Freunde

Um 7.00h bereits sollen sie am Flughafen sein. Kein Problem, da dieser nur 13km von der Prickly Bay entfernt ist und unser Mietauto für den Transfer ja auf dem Marina -Vorplatz wartet.
Trotzdem müssen wir uns um 5.30h aus den Betten rollen, da es vor der Abfahrt wenigstens Tee und Toast geben soll und die kostbare Fracht ja außerdem an Land GERUDERT werden muss.
Der Morgen dämmert, als die Drei ins Dinghi steigen und die Koffer einladen. Ziemlich viel Gewicht, das da gegen Wind und Welle an den Dinghi-Anleger gerudert werden muss. Rührend sieht es aus, wie Menschen und Fracht immer kleiner werden…
Anlegen, Ausladen, Koffer zum Auto rollen ist schnell geschehen. Doch was ist das? Peters Blick fällt auf das linke Hinterrad… Ein Platter!
Viel Zeit zum Nachdenken gibt es nicht. Das Reserverad auf der Heckklappe ist in Nullkommanix abgenommen, da es ohnehin nur mit zwei Schrauben befestigt ist. Auch das platte Rad ist lediglich mit 4 von möglichen 5 Schrauben montiert. Aber dann? Wie soll man ein Rad wechseln ohne Wagenheber? Den gibt es nämlich nicht. Was nun? Ein Taxi muss her! Wie aber soll man ein Taxi rufen ohne eine Telefonnummer zu haben? Metzger, Mini Market, Marina-Büro, Zoll … alles geschlossen.

Und die Dreie schauen stumm auf dem ganzen Platz herum…

Ein LKW kündigt sich. Die „Southern Waste“, die hiesige Müllabfuhr rumpelt heran. Der Fahrer, das personifizierte karibische Strahle-Lächeln springt aus der Fahrerkabine und fragt: „Wo brennt’s?“
Die Antwort: „Taxi oder Wagenheber!“
„Wagenheber????“ – Kopfschüttelndes Lachen…
„Taxi? Wer will denn wohin?… Die Beiden?…Zum Flughafen? Warum sagt ihr das nicht gleich? Machen wir.“

Der Fahrer komplimentiert unsere Freunde in die Fahrerkabine, wo die beiden sich neben ihn quetschen, das Gepäck wird zwischen Fahrerkabine und Müllcontainer geklemmt und die beiden Müllmänner auf die Podeste neben der Müll-Ladeklappe verbannt. Ab geht’s nun mit Karacho, Gerumpel und Gepolter die 13km zum Flughafen.
Leider gab’s für diese Szene mal wieder keinen Fotografen…

32 Std später aber erfahren wir von Wim und Trudi, dass sie wohlbehalten zu Hause angekommen sind.

Peter wartet indes auf das Erwachen des Hafenvorplatzes. Und er hat Glück. Die Security naht, Kollegen unserer Unfallgegner vom Samstagabend. Natürlich haben sie einen Wagenheber dabei, zwar keinen passenden; aber der vorhandene wird passend gemacht durch Unterlegen von diversen Holzstückchen. Sie fragen praktischerweise gleich nach, wie viel es ihm denn wert sei, wenn sie den Wechsel übernehmen? Zehn Minuten später sind sie um einige Dollar reicher, der Reifen ist gewechselt und Peter kann zufrieden zurückrudern.

Das Mietauto wird noch für die Weihnachtseinkäufe und die Abgabe des Protokolls genutzt – und um 14.00h – ohne jegliche Komplikation – zurückgegeben.

Am späten Nachmittag bekommen wir den für 300 US-Dollar reparierten Außenborder zurück, dessen reibungsloses Funktionieren leider nur von kurzer Dauer sein wird….

Am Abend läuft die Obelix ein. Brigitte und Frank haben ihre Tochter Jenny vom Flughafen in St. Lucia abgeholt und sind in drei Tagen wieder Richtung Süden, hierher, gedüst.
Es gibt ein fröhliches Wiedersehen bzw. Kennenlernen beim Abendessen auf der PIA.

Ein „Einkaufsbus“ sammelt – von Bucht zu Bucht fahrend – alle diejenigen ein, die sich für die Feiertage noch verproviantieren wollen. Nach der Rückkehr aus der Stadt werden die Schätze in die wartenden Dinghis verladen.

Am 23.Dezember brechen wir auf zur Clarks Court Bay, wo wir – in der Nähe des „Phare Bleu“ Weihnachten feiern wollen. Natürlich gibt’s in dieser legendären Bar erst mal einen „Painkiller“.

…Sachte, sachte lässt der Cocktail dann so ein Trübsälchen nach dem anderen verschwinden…

Bei Obelixens und PIAs wird eifrig gewerkelt für die Weihnachtsfeiertage. Brigitte bereitet einen Champagner- Snack und das Fleischfondue für den Heiligabend vor, ich mache mich an die Vorbereitung des Brunchs für den ersten Weihnachtsfeiertag.
Frank und Peter sind mal wieder mit Denksportaufgaben bezüglich der Außenborder-Reparatur beschäftigt, denn: Kaum ist er zwei Mal problemlos gelaufen, kündigen sich neue Übel an. Diesmal betrifft es die Electronic. Fraglich, ob das ohne Ersatzteil zu lösen ist….

Unser Ankerplatz vor dem Riff ist ziemlich unruhig. Außerdem pfeift ein ordentlicher Wind, der immer wieder dunkel-violett-farbene Wolkensäcke vor sich hertreibt, die sich dann – freundlicherweise – über uns entladen. Mehrfach müssen wir, weil wir die Seitenluken offen gelassen haben, Wasser aus der Bilge pumpen; aber darin sind wir ja inzwischen Meister.

Unser Wetter hier ist ebenso typisch für die Karibik wie die 17°C Kuscheltemperaturen auf den Weihnachtsmärkten zu Hause.

Wir nehmen es gelassen. Am Heiligabend geht’s zum Champagnerempfang mit leckeren Shrimps zu Obelixens,

das Fleischfondue-Catering wird – per Dinghi – bei viel Welle und Kabbelwasser – zwischen zwei Regengüssen – zur PIA geliefert und dort bei schöner, irgendwie außergewöhnlicher, karibisch-amerikanischer Weihnachtsstimmung verspeist.

Ein Glück, dass der Brunch am nächsten Morgen erst um 11.00h beginnt. Wir sind alle noch ein wenig müde und werden den Nachmittag zum Entspannen nutzen.

Jenny, die ihren Jahresurlaub bei den Eltern verbringt und auf tollstes Ferienwetter mit Tauchgängen im glasklaren Wasser gehofft hatte, ist ein wenig enttäuscht.
In der Hoffnung, bessere Tauchgründe zu finden legt die Familie Obelix am 26.12. ab. Union Island und die Cays sind ihr Ziel.
Wir bleiben noch bis zum 27. hier, um dann noch einmal in der Prickly Bay nach einer Reparaturmöglichkeit für den Außenborder zu suchen. Letztendlich eine sehr ärgerliche Geschichte, da der Monteur weder reparieren kann, noch ein Ersatzteil findet, für seine Suche aber – zu den bereits gezahlten 300 US – noch einmal 250 US Dollar verlangt.

Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung…

Am 30.12. verlassen wir die Gewürzinsel… Ob es uns gelingt, mit Obelixens zusammen das Neue Jahr zu begrüßen? Wir werden sehen…

Jedenfalls wünschen wir allen unseren Bloglesern ein gutes, gesundes und an schönen Ereignissen reiches Neues Jahr und verbleiben – bis zum Wiederlesen – mit den besten Grüßen aus
„The Middle of Nowhere“

Dorothee und Peter

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