Nach 111 Tagen wieder Wind in den Segeln

Es ist Sonntag, der 17.03. 2013. Ulla hat Geburtstag, unsere Freunde sitzen im Flugzeug und warten auf die Starterlaubnis, da eine Landung in Frankfurt, wegen heftigen Schneetreibens, im Moment nicht möglich ist.
Peter schaut den Wetterbericht an und stellt fest, dass sich allmählich ein Wetterfenster zeigt, das die Weiterfahrt in Richtung Lissabon möglich macht.
Ganz elektrisiert von dem Gedanken, nach so langer Zeit wieder segeln zu können, beschließen wir, gleich abzufahren. Peter macht das Schiff klar und kümmert sich um die Navigation, während ich für das Auffüllen der Lebensmittelvorräte sorge. Um 15.00h legen wir ab, ein letztes Mal der Marina Douro zuwinkend, die uns mit ihren äußerst liebenswerten Mitarbeitern und der perfekten Rundumversorgung richtig ans Herz gewachsen ist. Nach Fertigstellung der Kaigebäude und der Facilities wird diese Marina ein Juwel an der Atlantikküste sein.
Wir gehen davon aus, dass wir die Nacht durchfahren müssen, da die Einfahrt in kleinere, auf dem Weg liegende Häfen wegen der immer noch recht hohen Welle nicht möglich sein wird. Bei der vorhergesagten Windstärke (4-5) rechnen wir mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 7-8 kn und hoffen, das ca.180sm entfernte Lissabon in etwa 24 Std erreichen zu können.
Beim Auslaufen aus der Douro Mündung spüren wir überdeutlich das, was wir bisher immer nur beobachten konnten: Wilde Verwirbelungen der Wassermassen, die einerseits aus dem Douro in den Atlantik wollen und andererseits der Wellen, die vom Atlantik in die Mündung drücken. Peter setzt das Großsegel, während ich die Pia im Wind halte. Die im Segel gestauten Regenwassermassen werden – beim Auf und Ab der PIA – mit Schwung über mir ausgeleert und bahnen sich, eiskalt, den Weg über Kopf, Kragen und Körperfront in die Jeans. Mir fällt die Definition von „Segeln“ ein: Unter der kalten Dusche stehen und 50€-Scheine zerreißen … An Umziehen ist jetzt leider nicht zu denken!
Aber nun sind wir erstmal wieder auf dem Atlantik und lassen uns von einem immer stärker aufbrisenden Wind Richtung Süden wehen. Wir binden kein Reff ein und rollen die Genua nur zur Hälfte aus. Die Segelgeschwindigkeit nimmt erheblich zu. Wir beide wischen den Gedanken einer Riggüberlastung unausgesprochen vom Tisch. Peter setzt die Backstagen nochmals ordentlich durch.
Um 19.10h erleben wir einen herrlichen Sonnenuntergang. Delfine umspielen beide Rümpfe. Dann legt Peter sich schlafen…Erst jetzt stellt sich heraus, dass unsere Abreise vielleicht ein wenig überstürzt und nicht ganz so gut vorbereitet war… Außen, auf dem Steuerstand hört man das Klappern des Geschirrs und das Klirren der Gläser nicht aber ein lautes Poltern lässt mich einen kontrollierenden Blick in den Salon werfen. Peter ist bereits damit beschäftigt, das Wasser, das sich aus der herab polternden Blumenvase – samt Geburtstagsblume – ergossen hat, aufzuwischen. Auch die Küchenkräuter haben einen Salto ins Spülbecken gemacht, während die Kerzen weiter von einem Ende der Arbeitsplatte zum anderen sausen. Schande! Schnell verstauen wir alles, was nicht niet- und nagelfest war.
Inzwischen ist es 21.00h. Der Windmesser schwankt zwischen 28 und 31kn wahren Windes (d.h. Windstärke 7)und PIAs Rümpfe pflügen teilweise mit 17,3 – 19,6kn!!! durch die Wellen. Im wahrsten Sinne des Wortes (be)rauschend aber nicht sonderlich gemütlich, da die Wellen sich nicht auf eine Richtung einigen können. Immer wieder gibt es diese kleinen, miesen, hinterlistigen Quertreiber, die die Pia ruckartig aus der Surfbahn und Peter aus der Koje boxen wollen.
Über mir wölbt sich ein Sternenhimmel, der an Klarheit kaum zu überbieten ist und ich wünschte mir Dieter an meiner Seite für eine Einführung in diese Pracht. Erläuterungen aus einem Buch wären nur mit Taschenlampe möglich und bei diesem ständigen Knuffen der Wellen bestimmt nicht magenfreundlich.
Peter löst mich um 23.00h ab und hält – in dieser für mich unmöglichen Zeit zwischen Traum und Tag – heldenhaft Wache bis 4.00h morgens.
6.50h: Sonnenaufgang!!! Der Wind hat stark nachgelassen, angenehme Wellen und eine Küstenlandschaft, die an die nordspanische erinnert, bei der Anfahrt auf La Coruna…
Wie am 25.Oktober ’12 können wir auch heute, am 18. März ’13, im Cockpit frühstücken. Herrlich!!!

Um 9.00h passieren wir den westlichsten Punkt Europas, das Cabo da Roca, um bereits eine Stunde später in Cascais (dem St. Tropez Portugals) anzukommen. Die Seestrecke von 178 sm legten wir in nur 19 Stunden zurück, d.h. mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von ca.10kn.


In der Ortsmitte von Cascais


Ein Strand von Cascais

2 Antworten auf „Nach 111 Tagen wieder Wind in den Segeln“

  1. liebe Dorothee, lieber Peter herzliche Ostergrüße aus dem kalten, aber
    heute sehr sonnigen Deutschland.Habe gerade
    Dorothees spannenden Blog Eurer rasanten Fahrt
    von Porto nach Lissabon und die erlebnisreichen
    Touren mit euren/unseren Freunden in Lissabon
    und Porto gelesen.Ein bisschen neidisch bin ich
    schon geworden, aber wir hatten Emma drei Tage
    zu Besuch und das war auch ein tolles Erlebnis.

    Liebe Grüße und alles Gute weiterhin
    Eure Erhards

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