Porto und der Minho

Donnerstag, der 29.11.2012

Seit 4 Tagen sind wir nun in Porto und auch hier hatte Langeweile bisher keine Chance.
Im Folgenden die Gründe dafür:
– Die Marina, ganz neu und daher sehr bemüht,
mit unaufdringlicher Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und gutem Service sowie Preis-Leistungsverhältnis auf sich aufmerksam zu machen.
– Porto, eine Stadt der Gegensätze: einerseits wegen ihrer beiden Gesichter, dem des Tages, das den Blick auf die Stadt mit hässlichen, tiefen Falten und Runzeln freigibt, über die auch das geschäftige Treiben einer Großstadt nicht hinwegtäuschen kann und andererseits dem der Nacht, das die Stadt im Licht der wunderschönen, alten Laternen als ausgesprochen romantisch erscheinen lässt;
– einer Altstadt, die zwar zum Welt-Kulturerbe gehört, die aber zu renovieren – teilweise – als zu kostenaufwändig betrachtet wird, so dass man sie einfach weiter verfallen lässt um stattdessen – in neueren Stadtteilen – ultramoderne Gebäude zu errichten, die das Herz eines jeden Architekten höher schlagen lassen…(unsere übrigens auch beim Besuch der „casa da musica“, die von Rem Koolhaas entworfen wurde);
der Brücke „Ponte Dom Luis“ einer atemberaubenden Stahlkonstruktion (Assoziation zum Eiffelturm, da von einem Kollegen des Gustave Eiffel entworfen), die Porto mit der gegenüberliegenden Stadt Vila nova de Gaia verbindet, in der die Portokellereien Führungen mit anschließender Verkostung anbieten.
– Und last but not least der Möglichkeit, von hier aus Ausflüge in den Minho zu unternehmen…
Und genau das haben wir uns für heute vorgenommen. Mit dem Mietwagen geht’s in die Städte Barcelos (größter Wochenmarkt Portugals und Ursprungsstadt des portugiesischen Gockels), Braga (Bischofssitz)und Guimaraes (Ausrufung des Königreiches), die den geografischen Mittelpunkt des Minho und gleichzeitig das historische Zentrum Portugals bilden.
Ankommend in Barcelos, werden wir von Gockeln aller Couleur begrüßt: mannshohe, steinerne Exemplare; auf Hauswände gemalte; kleine, metallene oder Keramik-Gockel in den Souvenirläden und den lebendigen, braunbunten – in ihrer Aktivität stark beschränkten – Vertretern auf dem Wochenmarkt. (Es gibt übrigens eine nette Geschichte zum Gockel von Barcelos, die der geneigte Leser sicherlich im Internet findet…)
Wir finden auf dem Wochenmarkt alles, was man sich nur denken kann: Möbel, Knöpfe, Haushalts- und Eisenwaren, Destilliergeräte, Stoffe, Kleidung , Käse, Schinken, Würste, den unvermeidlichen, aus stattlicher Entfernung bereits üble Gerüche verbreitenden Bacalhao, Obst, Gemüse… aber magisch angezogen werden wir von der lebendigen Ware, die – energisch in Kartons gestopft – den Besitzer wechselt, ohne dabei jedwede Regung im Gesicht des Verkäufers erkennen zu lassen.
Die zweite Station ist Braga – Bischofssitz – und sich selbst als religiöse Hauptstadt des Landes sehend. Trotz vieler Sakralbauten und der alles dominierenden Kathedrale, die über sechs Jahrhunderte immer wieder umgebaut und erweitert wurde, um sich mit den größten Kirchen der Welt messen zu können, macht Braga keinen steifen, oder altehrwürdigen Eindruck auf uns. Dank der großen Universität gibt es viele junge Leute. Zahlreiche Cafés, gut besucht von Menschen aller Altersklassen, etliche Jazzkeller, noble Geschäfte, dazwischen barocke Gartenanlagen, eine elegante Fußgängerzone (in der wir übrigens die erste dezente Weihnachtsbeleuchtung sehen) lassen diese Stadt sehr attraktiv, jung, gepflegt und wohlhabend erscheinen.
Aber wir haben noch einen Programmpunkt: Wir wollen noch nach Guimaraes, dem historischen Mittelpunkt des Minho, in dem heute die Nicolinhas beginnen, studentische Aktivitäten, die eine Woche vor dem 6.Dezember beginnen und am Nikolaustag ihr Ende finden. Die studentische Sekretärin des Hafens erklärte diesen Event zum absoluten „Muss“ für den heutigen Besuch in Guimaraes. Also schauen wir, dass wir hin kommen. Als wir die Stadt um 18:00h erreichen, haben natürlich alle Gebäude von historischer Bedeutung bereits geschlossen. Die Nikolinhas beginnen allerdings erst um 23:00h. Was tun??? Wir checken ein im Hotel (haben WiFi!!!), können daher schnell den vorangegangenen Blogeintrag machen und begeben uns danach im strömenden Regen in die Altstadt. Der eingängige Trommel-Rhythmus ist bereits von Weitem zu hören. Alle Studenten, die trommeln können oder ein solches Schlaginstrument besitzen, trommeln sich – in kleineren oder größeren Gruppen – ein. Aus Kleidern, Haaren, Nikolausmützen und von den Trommeln tropft der Regen. Auch wir werden pitschnass und beschließen, uns zum Aufwärmen und Trocknen in ein Restaurant zu setzen. Ein schwieriges Unterfangen, da alle Restaurants ausgebucht sind. Es gelingt uns schließlich, ein kleines Restaurant zu finden, das uns eine peppige, wohlschmeckende, portugiesische Küche serviert aber aufwärmen können wir uns nicht, da es in den meisten Restaurants schlichtweg keine Heizung gibt. So machen wir uns gegen 22:00h auf den Weg zum Castelo, das auf dem großen Stadthügel liegt, von dem aus der Zug starten soll. Am Castelo angekommen, bietet sich uns ein äußerst folkloristisches Bild: Von rechts ziehen Ochsengespanne herauf, mit jeweils zwei aneinandergekoppelten, rot-braunen Ochsen mit gewaltigen, gebogenen, Respekt einflößenden und an ihren Spitzen geschmückten Hörnern, die jeweils einen Karren ziehen mit großen Tafeln, auf denen wohl Politik und Wirtschaft aufs Korn genommen werden (so wie bei heimischen Karnevalszügen); während von links die trommelnden Studenten heraufziehen. Taktgeber mit einer Nikolauspuppe oder einem Rotschopf an langer Stange sorgen dafür, dass der Rhythmus einheitlich bleibt.
Wir stehen mitten im Brennpunkt. Ich bewundere die Ruhe der Ochsentreiber (oder -bändiger), die es verstehen, diese gewaltigen Tiere – inmitten der Menschenmasse – immer wieder zur Raison zu zwingen. Eine wahrlich nicht einfache Aufgabe, da die Ochsen ständig von Fotoblitzen und Lasern geblendet werden und den enormen Geräuschpegel der Trommeln aushalten müssen. Mein Versuch, eines dieser Riesenhörner aus der Nähe zu fotografieren, treibt Peter den Schweiß auf die Stirn, da er eine mögliche Massenpanik befürchtet, die ein Entkommen aus diesem Kessel unmöglich machen würde. Das Photo gelingt einigermaßen und wir können unsere Distanz zu diesen tierischen Waffen allmählich vergrößern. Dann beginnt es wieder heftig zu regnen, was der Stimmung aber keinen Abbruch tut. Auch wir lassen uns von diesem Spektakel noch bis weit nach Mitternacht mitreißen, um dann – tropfnass – ein Taxi zum Hotel zu nehmen. Vom Taxifahrer erfahren wir, dass der vom 5. Ochsenpaar gezogene, mit Lichtern geschmückte Baum auf dem Hauptplatz (gegen 3:00h nachts)aufgestellt werden soll. Dies zu feiern überlassen wir dann doch den Studenten…

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