20180620 St. Augustine – Chesapeake Bay

26 Tage an Boje Nr. 26, im Matanzas River, unmittelbar hinter der schönen Bridge of Lions und vor der Stadtkulisse von St. Augustine sind vorüber.

Viermaliges tägliches (Strömungs-bedingtes) Drehen um 180°, Warten auf- und Einbau von Ersatzteilen, Brüten in schwüler Sommerhitze, Abwettern von Wolkenbruch-artigen Regenfällen und Hagelschauern, flotte Fußmärsche kreuz und quer durch St. Augustines Flaniermeilen,zu historischen Sehenswürdigkeiten, durch grüne Außenbezirke und Schiffsausstatter-Läden lassen die Zeit dennoch schnell vergehen und sorgen für schöne Erinnerungen im Kopf.

Am 5. Juni, um 9.30h öffnet sich die „Bridge of Lions“ für uns und wir passieren ihre offenen Flanken – nach fast genau einem Jahr – in Gegenrichtung.

Ciao, Ciao St. Augustine!

Ein herrlicher Tag! Strahlende Sonne, eine leichte Brise fächelt uns Atlantikluft um die Nase und wir segeln! Ein tolles Gefühl! Lediglich PIA wirkt nicht

Ein herrlicher Tag! Strahlende Sonne, eine leichte Brise fächelt uns Atlantikluft um die Nase und wir segeln! Ein tolles Gefühl! Lediglich PIA wirkt nicht gewohnt „spritzig“. Wie eine dicke Diva schiebt sie sich durchs Wasser. Kein Wunder! Bei dem Bauchumfang! Das lange, bewegungslose „Herumlungern“ im Nährstoff-reichen Wasser hat für den dicken Speckgürtel (ca. 5cm dicke, festsitzende Algen rundherum, an und unterhalb der Wasserlinie!!!) gesorgt.

Wenn wir unser heutiges Ziel, Cumberland Island, (etwa 70sm entfernt) noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wollen, müssen wir unser Dickerchen ein wenig mit Motorwind unterstützen.

Um 19.30 fällt der Anker vor dieser Insel im Staate Georgia. Johannes und Angelika mit ihrem Cat „Magic Cloud“ sind bereits gestern angekommen. Gemeinsam mit ihnen wollen wir morgen die Insel erkunden.

Cumberland Island entpuppt sich als ein Naturreservat der Extraklasse. Leicht diesiges Wetter, kein klarer Himmel und fehlende Sonne zaubern eine ganz besondere Stimmung über die Insel.

Ein Wald mit Palmen unter weit ausladenden, moosbehangenen Lebenseichen, umwucherten Pfaden,

weiße Dünen, die man über gewundene Holzstege erreicht und ein kilometerlanger Strand,

an dem wir unzählige Hüllen eines Lebewesens finden, das wie ein Relikt aus Urzeiten wirkt… Es ist die Horseshoe-Crab oder der Pfeilschwanzkrebs, über dessen Leben und Bedeutung für Wissenschaft und Medizin wir später in einem Vortrag Interessantes erfahren.

Ein bezaubernd stiller Tag geht mit ebensolchem Sonnenuntergang zu Ende.

7. Juni

Jekyll Island heißt das heutige Ziel.

Wir befahren zum ersten und einzigen Mal einen Abschnitt des ICW (IntraCoastalWaterway), da alle Brücken, die wir unterqueren müssten, mit 65 ft, d.h. (65ft) eine – für den Mast der PIA (69ft) – zu geringe Durchfahrtshöhe haben.

Flaches Land, ausgedehnte Salzwassermarschen, Sümpfe und ein ICW, der sich teilweise seenmäßig ausbreitet, vermitteln das Gefühl von Ruhe und Weite.

Ein lautes, metallisches Geräusch schreckt uns auf. Ist da etwas in die BB-Schraube geraten?

Am Ankerplatz angekommen steigt Peter ins stark strömende, braungrüne Wasser und ist 20cm unter der Wasseroberfläche bereits nicht mehr zu sehen. Er muss sich am Propeller halten, um nicht abgetrieben zu werden, kann aber nicht erkennen, ob etwas in die Schraube geraten sein könnte. Lediglich der Tastbefund sagt, dass die Schraube wahrscheinlich in Ordnung ist.

Einmal im Wasser verlangt er nach einem Spatel, um mit dem Entfernen des dicken Bewuchses an der Wasserlinie zu beginnen. Die Arbeit in der starken Strömung ist äußerst mühsam, da er sich mit einer Hand an der Leine festhalten muss, um nicht abgetrieben zu werden und mit der anderen Hand den hartnäckigen Bewuchs regelrecht abstoßen muss.

Als er aus dem Wasser steigt ist er übersät von kleinen Krebsen. Sie krallen sich an Haut und Haaren fest, sitzen in und auf der Badehose und pieksen mörderisch. Da hilft nur rabiates Abschrubben. Uiuiui!

Am nächsten Tag will er sein Werk – im Taucheranzug – fortsetzen, verzichtet aber wohlweißlich darauf, da überall vor den – sich in der Salzwassermarsch aufhaltenden – Alligatoren gewarnt wird.

Von Land aus ist die Insel nur über eine Mautstraße zu erreichen, die 1887 in Privatbesitz geriet, um einer exklusiven Gruppe von Millionären wie den Rockefellers, Pulitzers, Macys und Vanderbilts als Clubinsel zu dienen. Ihre opulenten Residenzen, ganz bescheiden „Cottages“ genannt, thronen auch heute noch inmitten von Biotopen, die für alle Zeiten unter Naturschutz stehen.

Vom Wasser aus können wir die Insel ohne Maut betreten, mieten uns Fahrräder und radeln auf breiten, bequemen Wegen über die Insel, die für jeden Geschmack etwas zu bieten hat:

– Mondän mit dem imposanten Jekyll Island Club Hotel, vor dem man – auf Nagelscheren-getrimmtem Rasen – (ganz in Weiß und „Very British“) Cricket spielt,

– Parkähnlich wirkend mit tollen Villen auf weitläufigen Grundstücken mit mächtigen Lebenseichen,

– aber auch pure Natur, die sich unangetastet auf 2/3 der Insel ausbreiten darf mit Biotopen, dem Driftwoodbeach und einer herrlichen Dünenlandschaft.

Am nächsten Tag wird’s spannend. Können wir die vor uns liegende Brücke bei Niedrigwasser passieren oder müssen wir den ca. 20sm langen Umweg machen, um wieder auf den Atlantik zu gelangen? Gestern hat Peter bereits bei Niedrigwasser (am Wasserpegelanzeiger unter der Brücke) die Brückendurchfahrtshöhe gemessen, indem er – vom Dinghi aus – den Abstand der 66ft-Marke zum Wasserspiegel gemessen hat. 1.50m, d.h. ca. 5ft, was bedeutet, dass die Durchfahrtshöhe bei Niedrigwasser 71ft haben müsste. Wenn also alles so passt – wie gemessen – können wir die Brücke mit einem Abstand von 2ft zur Mastspitze unterqueren.

Am 9.6. um 12.00h ist Niedrigwasser. Um 11.30 gehen wir Ankerauf und wollen uns in Stellung bringen aber: auch am Ankerplatz ist natürlich Niedrigwasser mit der Konsequenz, dass wir mit dem BB-Kiel oder Bug im Schlamm stecken. Das dort sitzende Echolot kann demzufolge keine Tiefe mehr anzeigen und es ist unmöglich, in diesem grün-braunen Wasser zu erkennen, wo es tiefer wird. Wechselseitiges Manövrieren mal mit dem BB-Motor, mal mit dem Stb-Motor – vorwärts oder rückwärts – wühlt schwarz wallenden Schlamm auf, führt zu hochtourigen Motorgeräuschen und diversen Nickbewegungen der Bugspitzen. Aber nach 15min. ist das Drama beendet, wir nähern uns der Fahrrinne, Peter dreht das Heck der PIA in Fahrtrichtung und wir unterqueren – rückwärts und in ausreichendem Abstand – das gefürchtete Hindernis. Geschafft!!!

Nur wenige Meilen sind’s bis zu unserem heutigen, weiten Ankerplatz vor Brunswick, auf dem wir in völliger Einsamkeit eine ruhige Nacht verbringen.

Hätten wir einen Mast von 65ft Höhe, könnten wir – ungeachtet ungünstiger Wetterbedingungen – unser Ziel über den geschützten ICW erreichen. Mit 69ft Masthöhe bleibt uns nur die „harte“ Variante, die um das gefürchtete Cape Hatteras herumführt.

Johannes und Angelika wollen mit ihrem Catamaran den gleichen Weg nehmen.

Morgens um 8.30 fährt die Magic Cloud bereits an uns vorbei. Wir wünschen einander eine gute Fahrt und wollen in Funkkontakt bleiben.

In 4-5 Tagen sollten wir die Chesabeake Bay erreichen. Das Wetterfenster sieht passabel aus. Vorhergesagt sind leichte, wechselnde Winde, die das Umfahren des gefürchteten „Cape Hatteras“ vermutlich nicht in Stress ausarten lassen. Was wir nicht beachten ist die vorhergesagte Wellenrichtung und –höhe. Eine Nachlässigkeit, die uns bei weiteren Törnplanungen sobald nicht mehr passieren wird.

Zwei Stunden später gehen auch wir Ankerauf. Das Log zeigt keine Fahrt durchs Wasser an, das Echolot keine Tiefe. Beides ziemlich unvorteilhaft, da man ohne Log nicht die Strömung berechnen, ohne Echolot keine Wassertiefe erkennen kann. Wahrscheinlich ist der Geber verschmutzt oder das Messrädchen Muschelkalk-verkrustet.

Als wir im tiefen Wasser sind, machen wir uns daran, das Gerät auszubauen.

Eine Schweiß treibende Arbeit in Kauerstellung: BB-Bilge ausräumen, alle Verbindungskanäle zustopfen, Geber rausziehen, reinigen und wieder einsetzen. Die Operation gelingt, nur der Erfolg ist lediglich 50%. Das Log zeigt wieder an; aber das Echolot, das im gleichen Geber sitzt, macht Kapriolen und zeigt Tiefenwerte von 1.30m 19.40m an, auch als wir – laut Karte – längst auf Wassertiefen von mehr als 50m sind.

Die Fehlersuche schieben wir auf, da wir nicht vorhaben, in den nächsten 5 Tagen zu ankern.

Die erste Nacht auf See – nach so langer Zeit an Land – ist schlichtweg doof. Weder Peter noch ich können in der Freiwache gut schlafen, der Kurs mit schwachen aber wechselnden Winden und einer komischen Welle ist ungemütlich…

Außerdem steigt die Navigation ab und zu aus. Der Bildschirm wird schwarz, um anschließend für 5 – 15 min. eingefrorene Bilder zu zeigen. Nicht sehr beruhigend!

Nach dem Frühstück haben wir den Golfstrom erreicht, der uns – mit fast 3kn Strömung unterstützend – dem Ziel entgegen schiebt.

Da der Wind herumwabert zwischen SSE und SSW müssen wir ständig schiften. Das ist bei Schwachwind nicht besonders aufwändig aber lästig. Wir diskutieren die Besegelung und entscheiden uns letztendlich für das seniorengerechte, angenehme Obelix’sche Genuasegeln. Groß runter, Genua hoch.

Sonne, leichter Wind, angenehme Temperaturen, gemütliches Segeln mit zart rauschender Genua…

Was will man mehr?

Die zweite Nacht auf See ist wieder ziemlich ungemütlich. Als ich um 4.00h die Wache übernehme ist es stockdunkel. Kein Mond am Himmel, keine Sterne. In ziemlicher Entfernung zucken – rund um uns herum – die Blitze ins Wasser. Dabei wird der Horizont sekundenweise gespenstisch erhellt.

Ab 4.45h hebt sich der Horizont allmählich von der dunklen Wasserfläche ab. Die Sonne schiebt sich ab 5.45h allmählich hinter einem dicken Wolkenband hervor. Der Wind hat gedreht und kann sich nun zwischen NNE und NNW nicht entscheiden. Die Genua steht back, ich hole sie runter und lasse einen Motor mitlaufen.

Gegen Mittag versuchen wir, Funkkontakt zu Johannes aufzunehmen. Er hört uns nicht. Auch die nächsten Kontaktversuche schlagen fehl. Stimmt da was nicht auf der Magic Cloud oder ist es unser Funkgerät, das spinnt? Dann meldet Johannes sich mehrfach. Glasklar kommt der Ruf bei uns an aber er kann unsere Antwort nicht hören. Peter versucht es mit der Handfunke aber auch darüber hört er uns nicht.

Johannes ist abgebogen Richtung Küste, um sich – wohlweißlich – vor dem, was da kommt, in Morehead City zu verkriechen.

Der Tod unseres Funkgerätes tritt so plötzlich – wie erwartet – beim Funkruf eines passierenden Seglers ein. Wir hören ihn aber als Peter antwortet, wird das Gerät schwarz.

Blackout…Rien ne va plus…

Von Frank erhalten wir eine Mail, in der er sagt, dass unser AIS nicht mehr zu sehen sei.

Johannes schreibt, dass er nach einer schrecklichen Fahrt endlich in Morehead City angekommen sei.

Time Zero, unser Navigationsprogramm, liefert immer häufiger Standbilder oder steigt komplett aus, d.h. der Bildschirm wird schwarz, dann muss alles heruntergefahren werden, um 10min. später den Reboot machen zu können.

Beunruhigend, wenn man nicht erkennen kann, ob und wo sich Schiffe befinden und mit welcher Geschwindigkeit sie sich nähern!

Lediglich auf dem Radarschirm können wir erkennen, ob sich andere „Objekte“ in der Nähe befinden und deren Bewegungsrichtung verfolgen.

Wir holen den zweiten Laptop aus dem Backofen (Blitzschutz!!!), um ein Backup über OpenSea zu haben. Nur dieses Programm zeigt lediglich die eigene Schiffsposition und Bewegungsrichtung an aber keine anderen Schiffe, da es nicht an das AIS gekoppelt ist.

Als die Sonne untergeht, schaukelt sich die See allmählich auf. Wellen aus NNE treffen kurz, ungeordnet und hart in einem 45° Winkel auf die Bugspitzen der PIA. Der Wind schiebt dagegen. Das ist kein Kurs für einen Katamaran!

Surfen auf achterlicher Welle bedeutet Hochgenuss; aber diese kurzen, steilen Wellen, die an die Seiten klatschen oder mit der Wucht eines Vorschlaghammers unters Brückendeck, vermitteln den Eindruck, auf einem bockigen Rodeopferd zu sitzen. Dazu dieser unerträgliche Lärm von Geschirr, das in den Schränken hin und her rutscht, Flaschen, die in ihren Holzgittern rumpeln, Gewürzgläser, die klirrend von einer auf die andere Seite fallen. Küchentücher, zwischen die umher rutschenden Teile gestopft, regulieren die Dezibel ein wenig runter.

Beim Gang ins Cockpit werde ich zum x-ten Mal an eine weitere, große Unterlassungssünde erinnert. Wir haben den Außenborder am Dinghi belassen. Ca. 100kg werden nun – wie beim Bungee-Jumping – in der Aufhängevorrichtung unter dem Spoiler immer wieder ächzend und knarzend abgefedert. Dabei erscheinen mir die Rollen und Leinen plötzlich verdächtig unterdimensioniert.

Im Inferno der Geräusche wird der Käpitän immer ruhiger. Er legt sich hin. Oh,oh! Was, wenn die oberste Steuereinheit jetzt auch noch versagt?

Bedauerlicherweise für Peter, glücklicherweise für mich, ist lediglich das aktive Handeln stark eingeschränkt (abgesehen von ein paar Sprints zur Reling, um Überflüssiges auf reziprokem Weg loszuwerden).

Der Kopf funktioniert und ich bewundere die klaren, lauten Anweisungen, die er geben kann, wenn ich Hilfe benötige.

Ich staune ein wenig darüber, dass mir dieses ganze Getöse, Gerumpel und Tohuwabohu so gar nichts ausmacht. Wie gut!

Nach sechs Stunden ist der Spuk vorüber. Cape Hatteras umrundet, die Wellen werden zahmer, die Poltergeräusche verstummen. Auch der Wind schläft allmählich ein.

Wenn wir die Chesapeake Bay heute noch erreichen wollen, müssen wir Gas geben. Ab 18.00h wird’s spannend. Wir sehen die Tunnelbrücke, die Cape Henry mit Cape Charles verbindet und den Eingang zur Chesapeake Bay bildet. Der Straßenverkehr unterquert im Tunnel die Mündung der Bay während der Schiffsverkehr – Brückenfrei – in die riesige Mündung einfahren kann.

Aber da Norfolk, der bedeutendste Marine Stützpunkt der USA, gleich hinter der Mündung liegt, müssen wir sehr genau die Verkehrsregeln einhalten.

Wir können – wider Erwarten – die Tunnel-Bridge problemlos passieren und erreichen – zusammen mit dem Ende einer Regatta – die Cobb’s Marina in Little Creek. Der freundliche, herzliche Empfang der Marineros gibt das Gefühl, am Ende einer anstrengenden Fahrt im sicheren Hafen gelandet zu sein.

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